Mehrheit deutscher Regierungsmitglieder gehört einer Kirche an

Politik und Glaube unter einem Hut

Die Mehrheit deutscher Regierungsmitglieder bekennt sich zum christlichen Glauben. Wie eine Erhebung des Evangelischen Pressedienstes ergab, gehören zwei Drittel der Mitglieder der Bundes- und Landeskabinette einer christlichen Kirche an.

Bundeskabinett in Meseberg / © Michael Kappeler (dpa)
Bundeskabinett in Meseberg / © Michael Kappeler ( dpa )

Das sind 118 der insgesamt 177 Mitglieder - 40 Regierungsmitglieder (23 Prozent) sind konfessionslos, 19 machten keine Angaben zu ihrer Religionszugehörigkeit. Kein Mitglied einer Regierung bekannte sich zum muslimischen Glauben. Das überrascht den Religionssoziologen Detlef Pollack: "Es wundert mich, dass man nicht auf diesen Vorbildeffekt setzt", sagte er dem epd.

Leicht mehr Protestanten als Katholiken

Unter den Christen sind die Protestanten in den Entscheidungspositionen der Politik in der Mehrheit: 62 Kabinettsmitglieder (35 Prozent) sind evangelisch, 55 katholisch (31 Prozent). Eine Ministerin gehört der Neuapostolischen Kirche an.

Unter den 16 Ministerpräsidenten sind sieben evangelisch, sechs katholisch und drei konfessionslos. Gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerstochter Angela Merkel (CDU) sind damit acht Regierungschefs in Deutschland Protestanten. Im Bundeskabinett gehören alle Mitglieder einer christlichen Konfession an: Zehn sind evangelisch, sechs katholisch. Die Differenz zwischen den Konfessionen verliere aber immer mehr an Bedeutung, sagt Religionssoziologe Pollack.

Auch wenn sich bei der Kirchenbindung in Ost und West nach wie vor ein Unterschied zeigt, fällt er geringer aus als vielfach erwartet. In den westdeutschen Bundesländern sind knapp 24 Prozent der Kabinettsmitglieder konfessionslos, in den ostdeutschen Bundesländern mit Berlin 27, ohne Berlin 30 Prozent.

Mehr kirchliche Bindung im Westen

Dennoch vermutet Pollack, dass es im Ansehen noch immer Unterschiede gibt. "Im Westen gehört es nach wie vor eher zum guten Ton, kirchlich gebunden zu sein", sagte er. 80 Prozent der Menschen seien dort irgendwie religiös gebunden. Diese Mehrheitsverhältnisse hätten Auswirkung auf die Bereitschaft, sich zu seiner Konfession zu bekennen, erklärte der Professor aus Münster: "Im Westen ist man eher vorsichtig anzugeben, dass man konfessionslos ist, im Osten könnte es genau andersherum sein."

Verglichen mit dem Durchschnitt der Bevölkerung seien Konfessionsangehörige in der Politik überrepräsentiert, resümiert Pollack, der dieses Verhältnis seit Jahren auch im Bundestag beobachtet. "Es gibt prozentual gesehen viel mehr Katholische und Evangelische im Parlament als in der Bevölkerung insgesamt", sagte er.

Der evangelische Theologe und Soziologe erklärt das zum Einen mit dem erwiesenen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Beteiligung am kirchlichen Leben. Es glaubten zwar weniger formal hoch Gebildete an Gott, aber es gingen auch formal mehr hoch Gebildete zum Gottesdienst. Zudem engagierten sich Ehrenamtliche der Kirche auch stärker außerhalb. "Es gibt offensichtlich einen bestimmten Typ, der sich sowohl in Parteien, sozialen Bewegungen, Vereinen als auch in Kirchen stärker einbringt", sagte Pollack.

Unterrepräsentanz von Muslimen

Überrascht äußerte sich der Forscher vom Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität Münster über das Fehlen von Muslimen in den Regierungen: "Ich hätte gedacht, dass man gerade in der Politik großen Wert darauf legt, Muslime in das politische Geschäft zu integrieren." Entweder sei es schwer, geeignete Kandidaten zu finden. "Es könnte aber auch sein, dass man die politische Hebelkraft einer solchen integrativen Maßnahme noch nicht erkannt hat", sagte Pollack.

Mit Aygül Özkan (CDU) in Niedersachsen und Bilkay Öney (SPD) waren bereits zwei Musliminnen Mitglieder früherer Landesregierungen. Prominente Musliminnen in der Politik sind heute die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), die im Kabinett kein Stimmrecht hat, sowie die neue baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne).


Quelle:
epd