Gericht erklärt Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin für unzulässig

Mit Kopftuch auf die Richterbank?

Muslimische Lehrerinnen dürfen mit Kopftuch unterrichten. Doch eine Richterin, die nicht nur Robe, sondern auch Kopftuch trägt, ist bislang undenkbar. In Bayern könnte sich das zumindest für Rechtsreferendarinnen bald ändern.

Autor/in:
Ulf Vogler
Muslimische Jurastudentin klagt wegen Kopftuch / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Muslimische Jurastudentin klagt wegen Kopftuch / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Jahrelang waren muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch in Deutschland ein Reizthema. Dann entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein pauschales Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen unzulässig ist. Es sei nicht mit der vom Grundgesetz garantierten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit vereinbar, urteilte Karlsruhe Anfang 2015 in einem Rechtsstreit um das nordrhein-westfälische Schulgesetz.

Gericht kippt Kopftuchverbot

Nun könnten Frauen mit Kopftüchern demnächst vielleicht auch in die Gerichtssäle einziehen: Das Verwaltungsgericht Augsburg hat am Donnerstag festgestellt, dass auch bayerischen Rechtsreferendarinnen das Kopftuch nicht untersagt werden darf. Die Augsburger Richter gaben damit der Klage einer Studentin statt, die sich gegen Auflagen gewehrt hatte. Bayern kündigte allerdings umgehend Berufung an.

Das Münchner Oberlandesgericht als Arbeitgeber hatte der jungen Muslimin im Herbst 2014 bei der Einstellung in den Vorbereitungsdienst der Justiz Vorgaben gemacht, wonach sie bei gewissen Tätigkeiten kein Kopftuch tragen dürfe. Diese Arbeiten blieben der 25-Jährigen dadurch in ihrem Referendariat am Augsburger Amtsgericht verwehrt.

Der Fall war Neuland, obwohl bereits Anfang 2008 ein entsprechendes Schreiben des bayerischen Justizministeriums an die Gerichte ging. Die Justiz wolle nicht, "dass Rechtsreferendarinnen auf der Richterbank oder sonst bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten ein Kopftuch tragen", erklärt eine Ministeriumssprecherin die Verordnung. Auch wenn die angehenden Juristen die Staatsanwaltschaft in einer Verhandlung vertreten oder Zeugen vernehmen, geht das demnach nur ohne Kopftuch.

Bereits mehrere muslimische Referendarinnen haben in der Vergangenheit diese Auflagen bekommen. Für sie gilt dann: Entweder das Tuch abnehmen oder eine Verhandlung vom Zuschauerraum des Gerichtssaals verfolgen - während die anderen Referendare vorne beim Richter sitzen.

Stigmatisierung

Die 25-jährige Augsburgerin zog gegen die Regelung vor Gericht. Zudem hat sie inzwischen Amtshaftungsklage gegen den Freistaat eingereicht und verlangt 2000 Euro Schmerzensgeld, weil sie sich diskriminiert fühlt. "Ich hatte das Gefühl, dass ich schon mit einer gewissen Stigmatisierung eingestellt werde", sagte sie in dem Verfahren. Einmal habe sie ein Rechtsanwalt sogar darauf angesprochen, warum sie nicht am Richtertisch sitze.

Die Verwaltungsrichter bemängelten, dass die Auflagen für die Frau ohne ausreichende Rechtsgrundlage gemacht worden seien. In Bayern gebe es kein Gesetz, welches Rechtsreferendare zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichte, urteilten sie. Insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte wie die Religionsfreiheit sei ein Parlamentsgesetz nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtes in Karlsruhe notwendig.

Freistaat will gegen Urteil vorgehen

Bayern will die Entscheidung jedoch nicht hinnehmen. "Ich will nicht, dass Rechtsreferendarinnen auf der Richterbank, beim staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst oder bei sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten ein Kopftuch tragen", stellte Justizminister Winfried Bausback (CSU) klar. Alle Beteiligten müssten bei Prozessen "auf Unabhängigkeit und Neutralität der Dritten Gewalt vertrauen können".

Ein ähnlicher Fall hatte vor einem Jahr schon die Berliner Behörden beschäftigt. Eine Muslimin wollte damals im Bezirksamt Neukölln ihr Referendariat absolvieren, erhielt aber ebenfalls Auflagen, wonach sie als Vertreterin des Rechtsamtes keine "hoheitlichen Aufgaben mit Außenwirkung" übernehmen dürfe. Die Frau verzichtete daraufhin auf die Stelle und ging zu einer anderen Behörde.


Quelle:
dpa