Theologin Käßmann begrüßt Kandidatur von Hillary Clinton

Signalwirkung

Eine Frau als Präsidentin der USA? Mit der Kandidatur von Hillary Clinton für die Demokraten ist das möglich. Als "gute Perspektive" bezeichnet es die evangelische Theologin und USA-Kennerin Margot Käßmann bei domradio.de.

Margot Käßmann (KNA)
Margot Käßmann / ( KNA )

domradio.de: Nach dem ersten schwarzen Präsidenten könnten die USA also demnächst die erste Frau im Amt des Präsidenten bekommen. Was hat das zu bedeuten?

Margot Käßmann: Ich freue mich natürlich über diese Perspektive, weil ich denke, es muss Normalität werden, dass Männer oder Frauen solche leitenden Ämter übernehmen und dass die Kompetenz entscheidet. An dieser Stelle muss man sagen, dass Hillary Clinton wesentlich kompetenter als Donald Trump ist - gerade aufgrund ihrer Erfahrungen als Außenministerin. Dass sie eine Frau ist, ist sehr gut, aber sie ist einfach auch die kompetentere.

domradio.de: Glauben Sie, dass eine US-Präsidentin eine Signalwirkung an die gesamte Gesellschaft aussenden würde?

Käßmann: Ich denke, dass in jedem Fall eine Signalwirkung ausgeht. Gerade jetzt ist mir das wichtig, da wir in einer Zeit leben, in der mit Typen wie Donald Trump, Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdogan auf einmal ein merkwürdiges Phänomen von Machokultur in der Politik auftritt. So empfinde ich es jedenfalls. Und diese Herren werden genauso wie die Führer arabischer Staaten dann mit der mächtigsten Frau der Welt auf Augenhöhe sprechen müssen. Wir wissen alle, dass in der Medienwelt Bilder eine ganz große Macht besitzen. Ich denke, diese Bilder werden tatsächlich auch die Welt und die Perspektiven verändern.

domradio.de: Angela Merkel ist momentan eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Was würde es bedeuten, wenn jetzt auch das Amt des US-Präsidenten an eine Frau gehen würde? Würde sie eine andere Politik machen als ein Mann in dem Amt?

Käßmann: Eines will ich klar sagen: Ich bin nicht überzeugt, dass Frauen automatisch die besseren Menschen sind. Aber es ist nachgewiesen, dass Frauen weniger "Top-Down", also von oben runter leiten, sondern netzförmiger. Der Erfolg liegt dann nicht darin, wenn man sich wie ein Patriarch auf-den-Tisch-hauend durchsetzt, sondern eher versucht, netzförmig viele bei einer Lösung von Konflikten mitzunehmen. Wir wissen aus der Politik, dass das letzten Endes die nachhaltigeren, langfristigeren Ergebnisse sind.

domradio.de: Denken Sie denn, es würde auch eine Rolle für die Kirchen in den USA spielen?

Käßmann: Das würde für die Kirchen wie für alle leitenden Einrichtungen eine Rolle spielen. Ich habe eben schon von der Macht der Bilder gesprochen. Ich erinnere mich, als ich im Jahr 2009 Ratsvorsitzende der EKD wurde, hat die russisch-orthodoxe Kirche die Beziehung zur evangelischen Kirche in Deutschland abgebrochen, weil sie gesagt haben, es sei unvorstellbar, dass eine Frau dem Patriarchen auf Augenhöhe begegnen könnte. Wenn zu meiner Studentenzeit eine Frau davon gesprochen hätte, Bischöfin werden zu wollen, war das unvorstellbar. Wir hatten die Bilder im Kopf, dass ein Bischof immer ein älterer Herr sein muss. Heute ist es in der evangelischen Kirche Normalität, dass Frauen alle Ämter wahrnehmen können. Dadurch hat sich schon im Bild, was ein Pfarrer/eine Pfarrerin oder ein Bischof/eine Bischöfin ist und in der Vorstellung viel geändert. Allerdings müssen die Frauen dabei in der Kirche, wie auch in der Gesellschaft und in der Wirtschaft ihr Verhältnis zur Macht klären. Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer hat einmal gesagt, Frauen würden mit der Macht fremdeln. Deshalb glaube ich, dass viele Frauen für sich klären müssen, dass Macht positiv sein kann, wenn man sie transparent benutzt und mit anderen teilt. Dann muss man sich auch nicht davor scheuen, Macht zu übernehmen und im Sinne der eigenen Ziele zu nutzen.

domradio.de: Wenn wir über die USA sprechen, dann müssen wir auch das Massaker von Orlando erwähnen. Viele Religionsführer - evangelikale wie katholische - haben sich schwer damit getan, ihre Solidarität explizit mit den Schwulen und Lesben zum Ausdruck zu bringen, die dort Opfer wurden. Wie schätzen Sie das ein?

Käßmann: Das finde ich schon traurig. Wir glauben als Christen, dass jeder Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist. Niemand, der im Zölibat oder in einer heterosexuellen Beziehung lebt, ist nach christlicher Sicht mehr wert als jemand, der homosexuell lebt. Mein Mitgefühl gilt den Menschen in Orlando, die einen schönen Abend feiern wollten. Übrigens gilt mein Mitgefühl auch den Muslimen in den USA, die von Donald Trump und anderen wieder kollektiv für schuldig erklärt werden.

domradio.de: Denken Sie denn, das Attentat wird sich auf den Wahlkampf auswirken?

Käßmann: Ja. Ich fürchte, das wird sich schon auswirken. Momentan wird ja alles für den Wahlkampf genutzt. Trump wird das wieder als Hetze gegen Muslime verwenden und furchtbarerweise auch noch zur Stärkung der Waffenlobby nutzen. Trump hat sich diesbezüglich ja sehr klar positioniert und gesagt, mehr Waffen erzeugen auch mehr Sicherheit. Barack Obama hat während seiner Amtszeit ja versucht, gegen die Waffenlobby vorzugehen. Aber die Macht ist da ungeheuer groß. Mich hat das bei meinem Aufenthalt in den USA schon sehr irritiert, dass Menschen selbst in der Kirche Waffen tragen, wenn nicht am Eingang ein Schild steht, das das Mitführen von Waffen verbietet. Es gibt wahrhaftig genug Waffen in den USA, aber so wenig Übung in gewaltfreier Konfliktlösung. Das ist tragisch.

domradio.de: Eine Frau und in dem Fall Hillary Clinton würde den USA als Präsidentin also im Gegensatz zu Donald Trump guttun?

Käßmann: Das können Sie ganz klar als Aussage so mitnehmen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR