Philosoph Brüntrup erwartet einen engen US-Wahlkampf

"Trump hat eine echte Chance"

Hillary Clinton gegen Donald Trump. Der US-Präsidentschaftswahlkampf geht in seine heiße Phase. Im domradio.de-Interview spricht der Philosoph und Jesuit Professor Godehard Brüntrup über einen unberechenbaren Trump, eine weibliche Kandidatin und das Wahlverhalten der Katholiken.

Wer zieht ins Weiße Haus? / © Arno Burgi (dpa)
Wer zieht ins Weiße Haus? / © Arno Burgi ( dpa )

domradio.de: Nach dem ersten schwarzen Präsidenten könnten die USA demnächst die erste Frau im Amt des Präsidenten bekommen. Was meinen Sie, ist die Zeit dafür endlich reif?

Professor Godehard Brüntrup SJ (Jesuit und Professor für Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München):  Die Zeit ist sicher dafür reif. Das gab es auch schon in anderen Ländern. Deutschland wird zurzeit auch von einer weiblichen Politikerin regiert. Obwohl das ein historischer Moment ist, glaube ich allerdings, dass wenige nur deshalb Hillary Clinton wählen werden. Sie wird aufgrund dieser Tatsache natürlich bei den Frauen ein gewisses Plus haben. Es bleibt aber trotzdem eine politische Entscheidung und nicht eine Entscheidung für oder gegen ein Geschlecht.

domradio.de: Glauben Sie, dass eine US-Präsidentin eine Signalwirkung auf die gesamte Gesellschaft haben würde?

Brüntrup SJ: Das würde ich nicht für so hoch einschätzen, weil die Frage der Frauenrechte und die Gleichberechtigung der Frauen sowieso schon in den USA einen sehr hohen Stellenwert haben. Das würde vielleicht noch einmal eine Belebung erfahren, aber keine dramatische Änderung bewirken.

domradio.de: Also kann man von keiner Gewichteverschiebung in der Politik sprechen, die auch Einfluss auf die Rolle der Frauen in den Kirchen nach sich ziehen könnte?

Brüntrup SJ: Das kann ich mir nicht vorstellen, weil der Einfluss der Frauen in den protestantischen Kirchen in den USA sowieso schon relativ groß ist. Dass es auf die katholische Kirche und damit auf den Vatikan etwa einen Einfluss hätte, das wäre eine Überschätzung der USA. Ich glaube, da wird sich der Vatikan wenig von den USA beeindrucken lassen.

domradio.de: Nur etwa 12,6 Prozent der US-Amerikaner sind Katholiken. Für welchen Kandidaten bzw. welche Kandidatin schlägt denn deren Herz mehrheitlich, lässt sich das sagen?

Brüntrup SJ:  Die Katholiken sind traditionell gespalten zwischen den beiden Parteien. Diejenigen, die eher sozial engagiert sind, wählen demokratisch. Diejenigen, die eher auf die Grundrechte orientiert sind, also gegen Abtreibung, gegen die sogenannte Homo-Ehe, die wählen eher Republikaner. Das wird alles neu gemischt, weil viele grundwerteorientierte Konservative sich durch Trump nicht repräsentiert fühlen. Er war ja vor kurzem noch für Abtreibung, jetzt ist er plötzlich dagegen. Da ist er eher ein Populist. 

Die entscheidende Frage wird sein, ob er diese traditionell konservativen Wähler überhaupt an sich binden kann, oder ob die zu Hause bleiben und sagen: "Ich wähle weder die Frau Clinton noch den Herrn Trump, ich bleibe lieber zu Hause."  Das könnte Trump die Wahl kosten. Wenn es ihm aber gelingt, diese "Angry White Men", diese wütenden weißen Männer, die ihn am meisten stützen, in einer Weise zu mobilisieren, wie das bisher keiner geschafft hat, dann könnte er zu einer Gefahr für Frau Clinton werden.

domradio.de: Welche Rolle spielt es da, dass die wichtige Wählergruppe der Hispanics mehrheitlich katholisch ist? 

Brüntrup SJ: Das spielt insofern eine Rolle als Donald Trump die Hispanics derartig gegen sich aufgebracht hat. Seine Äußerungen wurden auch innerhalb der republikanischen Partei als rassistisch klassifiziert. Darum kann er die Hispanics nicht mehrheitlich hinter sich bringen, obwohl sie katholisch und eher konservativ sind. In Staaten wie Florida, die nachher wahlentscheidend sein werden und in denen viele Hispanics leben, wird vieles davon abhängen, ob er es schafft, überhaupt einen gewissen Prozentsatz der Hispanics zu überzeugen.

Aber diese Staaten werden entscheidend sein, diese sogenannten "Swing States". Da gibt es einige, die sind traditionell eher demokratisch, aber weil es dort sehr viele Weiße gibt, könnte er die für sich gewinnen, weil er hauptsächlich die weißen Wähler bekommt. Dann gibt es andere, wie die "Sun Belt States", darunter sind Colorado oder Florida zu fassen, die immer hin und her schwingen. Früher haben sie Bush, später dann Obama gewählt. Wenn er es schafft, die für sich zu gewinnen, dann kann Trump sogar die Wahl gewinnen. Er hat eine echte Chance.         

domradio.de:  Was würden Sie sagen, hat Hillary Clinton gegen den radikalen Populisten Trump bessere Chancen, als sie gegen einen gemäßigteren republikanischen Kandidaten je gehabt hätte? 

Brüntrup SJ: Das glaube ich nicht, weil Trump vollkommen unberechenbar ist. Wenn es Trump gelingt, eine neue Wählergruppe für sich zu gewinnen, die bisher überhaupt nicht zur Wahl gegangen ist, nämlich die Unzufriedenen, die untere Mittelschicht, die Ungebildeten, die keine Chancen mehr haben und das Gefühl haben, gar nicht mehr an dieser Gesellschaft teilzunehmen, wenn dieser aufgestaute Frust sich hinter Trump stellt, dann kann er solche Staaten wie Iowa, Michigan, Ohio, Pennsylvania, Wisconsin für sich gewinnen. Dann hat er auch Chancen, die Wahl zu gewinnen. Ich persönlich hoffe das nicht. Aber es wird sehr spannend.

Das Gespräch führte Heike Sicconi    


Quelle:
DR