Kardinal Marx betont deutsche Rolle bei Armenier-Völkermord

Kalte Gleichgültigkeit des Kaiserreichs

Reinhard Kardinal Marx hat die Bundestags-Resolution zu den Massakern an den Armeniern vor rund 100 Jahren gewürdigt. Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst rief die Türken zu einer Auseinandersetzung mit den Verbrechen auf.

Genozid-Gedenkstätte im armenischen Eriwan / © Thomas Koerbel
Genozid-Gedenkstätte im armenischen Eriwan / © Thomas Koerbel

Es sei "wichtig und verdienstvoll", dass sich das Parlament sich mit diesen "furchtbaren Ereignissen" befasst habe. Das sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) Marx am Donnerstag in Bonn. Die Redlichkeit gebiete es, die Geschehnisse als "systematische Vernichtungsaktion" zu bezeichnen.

Zuvor hatte der Bundestag die Resolution mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung verabschiedet und die Taten des Osmanischen Reiches damit als Völkermord bezeichnet. Zugleich wiesen die Parlamentarier in dem Antrag von Union, SPD und Grünen auf die Mitschuld des damaligen Deutschen Kaiserreichs hin.

Marx: Anlass zur Scham für Deutsche

Marx betonte, die Deutschen eigneten sich angesichts ihrer eigenen Geschichte "am allerwenigsten als Lehrmeister anderer Völker". Das Deutsche Reiche habe jedoch genaue Kenntnisse von den damaligen Ereignissen gehabt, aber nichts unternommen, um die Regierung in Konstantinopel zu beeinflussen. "Diese kalte Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Armenier gibt uns Deutschen auch heute noch Anlass zur Scham."

Der Blick in die Vergangenheit dürfe niemals zur Anklage anderer Völker dienen, sondern solle "eine Zukunft des Miteinanders eröffnen", fügte der Kardinal hinzu. Es komme jetzt darauf an, Dialog, Zusammenarbeit und Versöhnung zwischen der Türkei und Armenien zu fördern. "Wenn Deutschland dazu einen Beitrag leisten kann, sollte unser Land, in Freundschaft mit beiden Völkern, zur Stelle sein."

Papst: Erster Völkermord der Geschichte

Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Armenier, Aramäer, Assyrer und Pontos-Griechen getötet. Historiker sprechen vom ersten Völkermord der Geschichte. Die Türkei widerspricht dem und räumt lediglich Massaker, Vertreibungen und beiderseitige Gewalttaten ein. Vor Deutschland hatten rund 20 Staaten den Massenmord als Genozid bezeichnet. Auch der Papst sprach vom "ersten Völkermord im 20. Jahrhundert".

Bischof Fürst ruft zur Auseinandersetzung mit den Verbrechen auf

Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst hat die türkischen Mitbürger in Deutschland sowie die Vertreter des türkischen Staates zu einer aufrichtigen Auseinandersetzung mit den Verbrechen an den Armeniern als "dunkles Kapitel ihrer Geschichte" aufgerufen. Nur durch die Anerkennung der Deportation der Armenier als Völkermord seien Dialog und Versöhnung möglich, erklärte Fürst am Donnerstag in Rottenburg.

Der Bischof sagte, Deutschland habe sich in einem "mühsamen Prozess" seiner historischen Schuld der Verbrechen des Nationalsozialismus gestellt und diese Schuld für den Völkermord an den Juden sowie an Sinti und Roma als bleibende Verantwortung anerkannt. "Das sind die Voraussetzungen für Vertrauen; das sind auch die Voraussetzungen dafür, in glaubhafter Weise zu mehr Frieden in dieser friedlosen Welt beizutragen."


Quelle:
KNA