Kirche begrüßt Friedensabkommen für Kindersoldaten in Kolumbien

"Wir holen die Kinder aus dem Krieg"

Katholische Hilfswerke wie Adveniat, Caritas oder Misereor engagieren sich im Verborgenen für die Resozialisierung von Kindersoldaten in Kolumbien. Jetzt machen das Kolumbiens Regierung und FARC-Rebellen auch offiziell.

Autor/in:
Tobias Käufer
Kolumbien: Kinder vor vermintem Gebiet / © Eduardo Noriega (dpa)
Kolumbien: Kinder vor vermintem Gebiet / © Eduardo Noriega ( dpa )

Es ist ein weiterer Meilenstein in den ohnehin schon historischen Friedensverhandlungen zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC und der kolumbianischen Regierung: Die Rebellen kündigten an, in ihren Lagern lebende Kinder unter 15 Jahren Zug um Zug in die Freiheit zu entlassen. Die beiden Delegationen hatten sich zuvor auf eine gemeinsame Stellungnahme geeinigt.

"Wir haben ein historisches Abkommen erzielt, um die Kinder aus dem Krieg zu holen", teilte Präsident Juan Manuel Santos via Twitter mit.

FARC hatte Rekrutierung von Kindern lange bestritten

Es ist ein zweiter, entscheidender Schritt der FARC, sich von der Rekrutierung von Kindersoldaten loszusagen. Bereits vor einigen Wochen hatten die FARC-Kommandanten versprochen, künftig keine minderjährigen Kämpfer mehr in ihren Reihen aufzunehmen. Die Tageszeitung "El Tiempo" kommentierte euphorisch: "Das ist der erste Schritt zum Ende des Krieges."

Über die Anzahl der Kinder in den Reihen der FARC ranken sich viele Mythen. Lange leugnete die Gruppe die Existenz von Kindersoldaten, umso bemerkenswerter und mutiger ist nun ihr Eingeständnis. Deutsche Hilfswerke wie Adveniat, Caritas oder Misereor engagieren sich vor Ort und unterstützen die Resozialisierung von Betroffenen. Bisher geschah das meist im Verborgenen. Kinder und Jugendliche, die aus den Reihen der FARC flohen, galten für die Rebellen als Deserteure. Ihnen drohte der Tod.

Familienmord als Loyalitätsbeweis

Zu den Helfern, die aktiv gegen den Einsatz von Kindersoldaten vorgehen, gehört Jose Luis Dogirama Sanapi. Der inzwischen 41 Jahre alte Mitarbeiter der Diözese Quibdo in der bettelarmen Pazifik-Provinz Choco berichtete der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) jüngst über seine eigene Rekrutierung. Die begann damals mit einem perfiden Auftrag, der zugleich eine Art Aufnahmeprüfung war: Als Beweis seiner Loyalität sollte er seine Mutter, seinen Vater oder irgendein anderes Mitglied seiner Familie umbringen. Nur eine List rettete den Angehörigen das Leben. "Ich habe ihnen gesagt, ich sei ein Waisenkind und hätte keine Familie."

Heute arbeitet Dogirama für ein Präventionsprojekt, das direkt vom Bischöflichen Hilfswerk Misereor unterstützt wird. Im Departement Choco, das Papst Franziskus im nächsten Jahr besuchen will, betreiben rechte paramilitärische Gruppen und die linksgerichtete ELN-Guerilla weiterhin das schmutzige Geschäft der Rekrutierung von Kindern.

Dogirama klärt auf über die falschen Versprechen der Menschenfänger, die den Jugendlichen erzählen, sie könnten an den besten Universitäten der Welt studieren, in Europa leben und ein eigenes Haus haben.

Sozialprogramme geplant

Die Verzichtserklärung der FARC reicht daher nicht aus, um Kolumbiens Kinder vor dem Terror des Krieges zu bewahren. "Sozial- und Bildungsprogramme" sollen zum Erfolg beitragen, wie FARC-Sprecher Ivan Marquez erklärte. Damit werde eine Ausgrenzung der Kinder aus der Gesellschaft verhindert. Wichtig ist auch der juristische Teil der Vereinbarung: So sollen die Kinder und Teenager unter den Soldaten straflos bleiben, um unbelastet ein neues Leben beginnen zu können. Die meisten traten ihren Dienst an der Waffe ohnehin nicht freiwillig an.

Die katholische Kirche in Kolumbien begrüßte die jüngste Entwicklung: "Wir hoffen, dass in einem nächsten Schritt auch die Erwachsenen vom Krieg befreit werden", sagte der Vorsitzende der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Luis Augusto Castro Quiroga aus Tunja.

Bereits seit mehr als drei Jahren verhandeln FARC und Regierung über ein Ende des jahrzehntelangen bewaffneten Konfliktes, der mehr als 250.000 Menschen das Leben kostete und sechs Millionen weitere zu Binnenflüchtlingen machte.

 


Quelle:
KNA