Publizist Joachim Frank zum Tag der Pressefreiheit

Heute der Journalist, morgen die Zivilgesellschaft

Auch wenn es viele Länder gibt, in denen die Lage deutlich gefährlicher ist: Die Bedingungen für freie Berichterstattung haben sich auch in Deutschland verschlechtert. Ein domradio.de-Interview mit dem katholischen Publizisten Joachim Frank.

Joachim Frank / © KStA/Rakoczy
Joachim Frank / © KStA/Rakoczy

domradio.de: Deutschland ist auf der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" von Platz 12 auf 16 abgerutscht. Müssen wir uns jetzt Sorgen machen?

Joachim Frank (Chefkorrespondent der DuMont-Mediengruppe und Vorsitzender der Gesellschaft katholischer Publizisten in Deutschland): Vernachlässigung oder Bedrohung der Pressefreiheit sollte uns immer besorgen. Aber man muss nach den Gründen schauen. Anders als etwa in der Türkei ist der Grund, dass in Deutschland die Lage aus Sicht von "Reporter ohne Grenzen" etwas schlechter geworden ist, nicht primär staatliche Repression, also der Druck staatlicher Stellen auf Presse und Meinungsfreiheit.

Vielmehr ist es die Tatsache, dass Journalisten an der Ausübung ihres Berufes durch andere Bürger, die sich zusammentun, gehindert werden. Konkret ging es um Ausfälle von Pegida-Anhängern gegen Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit. Es ist natürlich eine Form von Behinderung, Einschränkung und Bedrohung, wenn man als Journalist, der von einer Pegida-Demo berichtet, damit rechnen muss, dass man - vereinfacht gesprochen - blöd angemacht oder auch zusammengeschlagen wird. Das ist ja beides hin und wieder vorgekommen.

domradio.de: Die Frage ist, ob wir uns - abgesehen davon, dass wir von bestimmten Gruppierungen bei der Arbeit behindert werden - auch darüber sorgen müssen, dass sich die Zustände möglicherweise auch denen in der Türkei angleichen.

Frank: Die Besorgnis ist auf jeden Fall groß und berechtigt. Da müssen wir als Journalisten natürlich auch solidarisch sein mit den Kollegen. Aber mir ist wichtig, dass wir das nicht aus bloßem Lobbyismus tun, nach dem Motto: Wir denken ja bloß an uns, weil wir unsere Ruhe und unsere Sicherheit haben wollen. Sondern ich glaube, Journalisten sind in dieser Position auch Vertreter der Zivilgesellschaft insgesamt.

Wenn Journalisten heute bedroht werden, weil sie ihre Meinung sagen und sich kritisch äußern, ist das der Vorbote dessen, was allen blühen kann, die gegen eine Regierung wie in der Türkei sind. Dort sitzen hunderte von Journalisten hinter Gittern, weil sie sich gegen Erdogan geäußert haben. Es laufen tausende von persönlichen Strafverfahren wegen Kritik am Staatspräsidenten. Da merkt man doch, dass was faul ist im Staate Türkei. 

domradio.de: In Ihrem Kommentar im Kölner Stadt-Anzeiger von heute sprechen Sie auch davon, dass die ganze Gesellschaft von der Pressefreiheit profitiert. Warum ist das so, wo profitieren wir?

Frank: Wir profitieren, weil die Pressefreiheit eigentlich ein spezieller Anwendungsfall der Meinungfreiheit insgesamt ist. Manchmal, glaube ich, merken wir im Alltag gar nicht, welcher Segen darauf liegt, dass wir frei unsere Meinung sagen dürfen. Gerade auch die, die jetzt am meisten schreien, dass die Meinungsfreiheit ausgenutzt werde oder Journalisten angeblich die Leute manipulieren, profitieren auch von dieser Meinungsfreiheit. Und die Pressefreiheit ist ein Spezialfall der Meinungsfreiheit, weil es dort um Leute geht, die die Meinungsfreiheit professionell in Anspruch nehmen und die auf Breitenwirkung zielen. 

domradio.de: Ist ein solcher "Tag der Pressefreiheit" sinnvoll?

Frank: Ich glaube schon. Dass es Anlass gibt, das nochmal besonders ins Bewusstsein zu heben, sich besonders darüber Gedanken zu machen und auch die Besorgnis kundzutun, ist auf jeden Fall sinnvoll. Es trifft sich dieses Jahr ganz gut, dass der Jahrestag zusammenfällt mit den Vorgängen in der Türkei und mit der Diskussion um den Fall Böhmermann. Daran sieht man, dass solche Tage nicht nur einfach gesetzt sind, sondern, dass es immer wieder auch mehr oder weniger unwillkommene Anlässe gibt, sich das ins Bewusstsein zu rufen.

domradio.de: Beim Fall Böhmermann scheiden sich ja auch die Geister. Die einen nennen es eine satirische Glanzleistung, die anderen eine missbrauchte Form von Presse- und Meinungsfreiheit. Wie stehen Sie dazu?

Frank: Ich denke, man muss unterscheiden: Wenn man den Text als Text liest, ist das ohne Frage geschmacklos und anstandslos. Wenn man jetzt aber mal darauf guckt: Was sollte das Ganze denn, worauf zielte es? kann man es nicht loslösen von dem Kontext und von dem Rahmen; dass Böhmermann nämlich zeigen wollte, wie absurd es ist, dass Erdogan vorher gegen einen relativ harmlosen TV-Beitrag auf NDR vorgegangen ist, indem er den deutschen Botschafter einbestellt hat und glaubte, über den Staat Druck auf Journalisten ausüben zu können. Das ist die Absurdität. Das ist das eigentlich Gefährliche.

Und dann hat Böhmermann mit diesem total überzogenen Text meines Erachtens auch inhaltlich und formal überdreht. Aber es muss eben im großen Zusammenhang gesehen werden. Und ich hätte mir schon gewünscht, dass Vertreter des türkischen Staates, wie die Ditib - also die Türkisch-Islamische Union, die hunderte von Moscheegemeinden in Deutschland vertritt und formal am Religionsministerium in Ankara hängt - auch in der Türkei auf Presse- und Meinungsfreiheit pocht.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR