Boliviens Kirche und Präsident Evo Morales haben ein Problem

"Ein tiefer Riss"

Die Kritik der bolivianischen Bischöfe am wachsenden Einfluss des Drogenhandels sorgt für einen großen Streit zwischen Regierung und Kirche. Ausgerechnet jetzt steht ein Besuch von Evo Morales im Vatikan an.

Autor/in:
Tobias Käufer
Papst Franziskus und Evo Morales während einer Privataudienz am 6.9.13 (KNA)
Papst Franziskus und Evo Morales während einer Privataudienz am 6.9.13 / ( KNA )

Für Boliviens Vizepräsident Alvaro Garcia Linera ist die Konsequenz eindeutig: Die katholische Kirche in Bolivien solle ihre führenden Köpfe austauschen. Sie habe den Kontakt zur Basis und zur bolivianischen Realität verloren. Diese einschneidende Forderung ist die Reaktion auf einen tagelangen Streit, den sich die Bischofskonferenz des südamerikanischen Landes mit dem Kabinett von Staatspräsident Evo Morales ausficht. Zuvor hatten die Bischöfe des armen Andenstaates mit einer kritischen gesellschaftspolitischen Analyse für Aufsehen gesorgt.

Hirtenschreiben über die Ausbreitung des Drogenhandels

In einem Hirtenschreiben über die Ausbreitung des Drogenhandels in Bolivien berichten sie, was sie aus ihren Diözesen aus dem ganzen Land in Erfahrung gebracht haben. Inzwischen habe der Drogenhandel auch staatliche Strukturen und Sicherheitskräfte durchdrungen und auch in staatlichen Institutionen Fuß gefasst.

Kirche in Bolivien

Von den knapp 12 Millionen Einwohnern Boliviens sind nach offiziellen vatikanischen Angaben 82,5 Prozent Katholiken. Die katholische Kirche in Bolivien besteht aus 27 Bistümern und Bistums ähnlichen Verwaltungseinheiten. Sie unterhält landesweit rund 1.800 Kindergärten, Schulen, Universitäten und Seminare.

Der Priestermangel ist groß. Je 7.700 Katholiken kommen auf einen Priester; zum Vergleich: in Deutschland sind es 1.500. Der höhere Klerus besteht zu einem beachtlichen Teil aus Weißen; einige Bischöfe sind Europäer.

Franziskus in Bolivien (dpa)
Franziskus in Bolivien / ( dpa )

Morales nahm das persönlich. Der charismatische Präsident, dem das Wahlvolk erst vor wenigen Monaten eine angestrebte Verfassungsänderung und damit eine erneute Präsidentschaftskandidatur verhagelte, griff seinerseits die Kirche an. Der erste indigene Präsident Lateinamerikas forderte konkrete Beweise für solche Vorwürfe. Zudem sollten die Bischöfe Namen nennen, die belegen, dass nationale Institutionen von der organisierten Kriminalität unterwandert seien.

"Ich möchte morgen Namen sehen, wer diese Autoritäten des Staates sind, die Drogenhändler sein sollen", zitiert ihn die Zeitung "La Razon". Wenn die Kirche keine Namen liefere, werde er darüber nachdenken, warum die indigene Bewegung so attackiert werde, sagte Morales bei einer Veranstaltung in Tomave in der Provinz Potosi.

Tiefer Riss quer durch die katholische Kirche

Die Sorgen der Bischöfe, so erklärten Abgeordnete der regierenden Sozialisten, seien subjektiv und unbegründet. Vizepräsident Garcia Linera macht gar einen tiefen Riss quer durch die katholische Kirche aus: Es gebe eine große Distanz zwischen denen, die an der Basis arbeiteten und Dienst bei den Ärmsten täten, und jenen an der Spitze der Kirche.

Boliviens Bischöfe ließen sich unterdessen Zeit mit ihrer Antwort auf die Forderungen des Präsidenten. Ultimaten passten nicht in eine Demokratie, hieß es aus Kreisen der Bischofskonferenz, die sich zu ihrer Vollversammlung in Cochabamba zusammenfand. Ihre Kritik bekräftigten die Bischöfe noch einmal.

Bewährungsprobe für Vorsitzenden der Bischofskonferenz

Für den jungen Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bischof Ricardo Ernesto Centellas Guzman (53) aus Potosi, ist die Konfrontation mit Morales die erste Bewährungsprobe in seinem neuen Amt. Centellas verteidigte das Hirtenschreiben, das Niederschlag in allen bolivianischen Medien fand und eine breite Debatte im Land anstieß.

Die Realität sei besorgniserregend, so der Bischof. Er rief die Gesellschaft auf, "Räume der Reflexion und des Dialogs" zu schaffen, um über das Thema zu diskutieren. Centellas legte sogar noch nach. Es gebe in Bolivien einen Mangel an authentischen, wahrhaftigen und ehrlichen Führern. Ein wahrhaftiger Anführer verfüge über die Weisheit, einen Konsens in der Vielfalt zu schaffen. Auch das darf als Kritik an Morales verstanden werden, der sich vornehmlich als Anführer der indigenen Mehrheit des Vielvölkerstaates inszeniert.

Besuch von Morales im Vatikan

Unter diesen Vorzeichen bekommt der für diese Woche angekündigte Besuch von Morales im Vatikan besondere Brisanz. Dort will der Präsident in der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften an einer Tagung teilnehmen. Dabei geht es um die kirchliche Soziallehre

25 Jahre nach der Enzyklika "Centesimus annus" von Papst Johannes Paul II. (1978-2005). Er sei dort eingeladen, und es sei immer wichtig, die Gedanken und Ratschläge des Papstes anzuhören, so Morales im Vorfeld. Das Verhältnis von Morales und Franziskus gilt als freundschaftlich - und Boliviens Präsident hat bislang keine Gelegenheit ausgelassen, das auch öffentlichtkeitswirksam zu inszenieren.

Quelle:
KNA