Studie sieht Impulse für deutsche Asylverfahren aus der Schweiz

Von den Eidgenossen lernen

Schnellere und qualitativ bessere Asylverfahren werden derzeit in der Schweiz erprobt. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung empfiehlt, Teile der Neuerungen für Deutschland in Betracht zu ziehen.

Autor/in:
Rainer Nolte
Schweiz als Vorbild in der Asylpolitik? / © Martin Gerten (dpa)
Schweiz als Vorbild in der Asylpolitik? / © Martin Gerten ( dpa )

Schnell geht es in der Schweiz zu, und dabei stimmt auch noch die Qualität. So sieht eine Studie der Bertelsmann Stiftung das reformierte Asylverfahren des Alpenlandes und fordert auf, Impulse in Deutschland zu übernehmen. Man könne das Schweizer System zwar "nicht blind kopieren", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, in Gütersloh, aber die auf den ersten Blick widersprüchliche Forderung von schnellerer Bearbeitung und mehr Qualität gelinge bei den Eidgenossen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kündigte an, die Vorschläge der Studie zu prüfen.

Naheliegendes Vergleichsland

Auch wenn die Flüchtlingszahlen der beiden Nachbarländer sehr unterschiedlich seien, sei die Schweiz ein "naheliegendes Vergleichsland", erklärt Migrationsexperte Dietrich Thränhardt in der Studie, die er im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt hat. Sie sei ebenso föderal aufgebaut und habe traditionell viele Flüchtlinge aufgenommen.

Kernelemente des reformierten Schweizer Asylverfahrens, das in Zürich bereits erprobt wurde, seien zum einen die Priorisierung und schnellere Bearbeitung der Asylgesuche. Dabei entlaste der Bund die Kantone und Gemeinden, indem die Asylbewerber zunächst zentral untergebracht würden. Dort würden alle Asylanträge in einfach zu entscheidende und komplizierte Verfahren kategorisiert. Die einfachen Fälle seien Asylgesuche mit geringen oder mit hohen Erfolgsaussichten.

Personen ohne Schutzanspruch sollen in der Schweiz innerhalb von höchstens 140 Tagen das Land verlassen. Das beträfe insbesondere Asylbewerber vom Westbalkan und aus afrikanischen Ländern wie Marokko und Nigeria, deren Anträge beschleunigt in "48-Stunden-Verfahren" und "Fast-Track-Verfahren" bearbeitet würden. Das hat der Stiftung zufolge den Effekt, dass die Asylanträge aus diesen Ländern zurückgegangen sind.

Präzise Zeitvorgaben

"Das neue System ist gekennzeichnet von präzisen Zeitvorgaben", schreibt Thränhardt in seiner Auswertung, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. So sollen die komplexeren Anträge innerhalb eines Jahres abgewickelt werden, außerdem sind den Verfahrensphasen klar geregelt - so stehen für die "Vorbereitungsphase" höchsten 21 Tage zur Verfügung.

Ein zweiter wesentlicher Punkt neben der Schnelligkeit ist die Qualität der Verfahren durch Rechtsbeistand für Flüchtlinge, der vom Bund mit einer Pauschale von umgerechnet rund 1.242 Euro finanziert wird. Die Begleitung durch die Anwälte erhöhe nicht nur die Transparenz für die Asylbewerber, sondern auch die Akzeptanz möglicher negativer Bescheide und den Verzicht auf Klagen.

Studienautor Thränhardt weist zudem auf die Ausreisebeihilfe bei wenig aussichtsreichen Verfahren hin. Die Höhe sinke bei längerem Verbleib in der Schweiz. Dies und ein "Sozialhilfestopp" für Asylsuchende, deren Anträge abgelehnt wurden, habe die Gesamtstatistik verbessert. Unumstritten ist das neue Verfahren jedoch in der Schweiz nicht. Eine Volksbefragung werde in diesem Jahr entscheiden, ob die Reform wie geplant Bestand habe, heißt es.

BAMF will Studie eingehend prüfen

Das BAMF teilte dazu mit, es werde die Studie eingehend prüfen, um einschätzen zu können, ob und welche Schlussfolgerungen für die Arbeit des Bundesamtes gezogen werden könnten. Jedoch verwies das Amt darauf, dass wesentliche Punkte bereits teilweise in Deutschland umgesetzt würden. Dazu zähle die Unterscheidung von Antragstellern aus bestimmten Herkunftsländern, die Eröffnung von Ankunftszentren in allen Bundesländern bis zum Frühjahr 2016 und das "Startgeld" bei freiwilligen Ausreisen.

Ein kostenloser Rechtsbeistand sei nicht vorgesehen, so das BAMF. Der finanzielle Aufwand sei zu hoch und lohne sich nicht. Dem widersprach Studienautor Thränhardt mit dem Verweis auf positiv Rückmeldungen nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus den Niederlanden, wo die Flüchtlinge seit Jahren von Anwälten begleitet würden.ränhardt räumte im Gespräch mit der KNA zugleich ein, dass die aktuelle Lage in Deutschland mit über 770.000 unbearbeiteten Asylanträgen und fehlendem Personal es derzeit nicht möglich mache, eine Reform umzusetzen. "Die Studie soll animieren, langfristig die Qualitätssteigerung im Blick zu haben."


Quelle:
KNA