Ein Kommentar zum "Super-Wahl-Dienstag" in den USA

Unfall der Demokratie

Donald Trump spaltet die US-Gesellschaft - und dürfte Präsidentschaftskandidat werden. Godehard Brüntrup SJ, Jesuit, Philosophie-Professor und USA-Experte, über eine unheilige Allianz von Stammtischen und Medien und die Rolle der katholischen Wähler.

Donald Trump / © Richard Ellis (dpa)
Donald Trump / © Richard Ellis ( dpa )

Am so genannten  "Super-Wahl-Dienstag" in den USA hatte Donald Trump wieder die Nase vorn. Was ist bloß in die Amerikaner gefahren? Wie können sie einen Mann ohne jede Manieren, einen narzisstischen Selbstdarsteller wählen? Wie können sie sich für einen Elefanten im Porzellanladen begeistern, der Mexikaner, Muslime, Frauen und Behinderte beleidigt? Warum kann ein Mann, der Kriegsverbrechen (Töten der Familien von ISIS Kämpfern) und Folter befürwortet, überhaupt ein Kandidat einer seriösen Partei sein? Die Republikaner wurden 1854 als fortschrittliche Anti-Sklaverei Partei gegründet. Die Demokraten brachten damals in einem Wahlplakat die Republikanische Partei mit Feminismus, freier Liebe, Sklavenbefreiung, Katholizismus und anderen "subversiven" Bewegungen in Zusammenhang (s. links). Wie sich die Zeiten ändern! Bei den Demokraten hat Hillary Clinton sich die Kandidatur nun praktisch bereits gesichert, gerade weil die Afroamerikaner und andere Minderheiten mehr hinter ihr stehen als hinter ihrem Konkurrenten Sanders.

Aber warum Trump? Er ist ein Unfall der Demokratie. Die Parteispitze der Republikaner wollte und will ihn nicht. Sie wollen Senator Rubio. Aber das Wahlvolk tut nicht, was die Parteiführung will. Das Wahlvolk, das sind hier vor allem die Wutbürger. Die Wut auf das Establishment der Parteien in Washington ist groß. Man will einen radikalen Wechsel im Führungspersonal: keine klug schwätzenden Politiker mehr, die nichts zustande bringen! Dazu kommt die Angst: Angst vor einer erneuten Weltwirtschaftskrise, Angst vor Terrorismus und Gewalt im eigenen Land. Wut und Angst vereinigen sich zu einem starken Strom. Von dieser Energie lässt sich Trump nach vorne tragen. Er hat keine tiefen politischen Überzeugungen. Es ist nicht lange her, da unterstützte er noch die Demokraten und auch die Clintons. Er ist ein Wendehals. Ihm geht es nur um die eigene Macht und Größe. Momentan nützt es ihm am meisten, dem Volk nach dem Mund zu reden. Er redet in einfachen, ungeschminkten Sätzen – ohne Rücksicht auf politische Korrektheit. Die Medien lieben das, und die Stammtische lieben es auch.

Unheilige Allianz

Stammtische und Medien sind eine unheilige Allianz eingegangen. Den Geist, den sie riefen, wird man nun nicht mehr los. Er verspricht eine Mauer an der Grenze, so dass keine Flüchtlinge mehr ins Land gelangen können. Er verspricht mehr als der Hälfte der Haushalte die Befreiung von den Steuern. Die weniger verdienende Hälfte des Landes soll einen Brief vom Finanzamt erhalten, in dem steht "Du bist ein Gewinner!". Danach werden sie vom Finanzamt nichts mehr hören. Er verspricht, einen Deal mit China zu machen, so dass die Arbeitsplätze, die dorthin gewandert sind, nach Amerika zurückkommen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er diese Versprechen je wahrmachen kann. Aber das ist ihm egal. Es gibt genügend Menschen, die wütend oder verzweifelt genug sind, um all dies glauben zu wollen.

Seine beiden Konkurrenten, Rubio und Cruz, stehlen sich gegenseitig die Stimmen. Nur wenn einer zurückträte, hätte der andere eine Chance. Kann Trump also Präsident werden? Möglich ist das, denn Hillary Clinton ist eine schwache Kandidatin, ihre Sympathiewerte in den Umfragen sind im Keller. Dennoch liegt sie im direkten Vergleich mit Trump noch vorne. Ob dies auch so bleibt, wird auch von den Katholiken abhängen. Die katholische Wählerschaft ist nämlich normalerweise in der Mitte geteilt. Diejenigen, die Clintons liberale Auffassungen bei Abtreibung, Homoehe und Stammzellen nicht mittragen, wählen republikanisch. Diejenigen, die den neoliberalen Kapitalismus und den Militarismus der Republikaner nicht mittragen, wählen demokratisch. Diesmal gibt es aber eine Besonderheit: Umfragen zeigen, dass Trump bei den Katholiken besonders unbeliebt ist. Unter den Republikanern schätzen sie nämlich besonders Marco Rubio. Wenn also Trump wirklich der Kandidat der Republikaner wird, dann ist es möglich, dass es eine signifikante Bewegung von Katholiken in Richtung der Demokraten gibt. Die Katholiken sind in den wahlentscheidenden Staaten mit vielen Wechselwählern oft das Zünglein an der Waage. Es könnte also so kommen, dass es gerade die von der republikanischen Partei enttäuschten Katholiken sein werden, die Hillary Clinton an die Macht bringen und den Sieg Donald Trumps verhindern werden. Es bleibt in jedem Fall spannend.

Zum Autor: Der Jesuit Godehard Brüntrup ist seit 2003 Professor für Philosophie an der Hochschule für Philosophie München mit den Schwerpunkten Metaphysik, Philosophie des Geistes und Sprachphilosophie. Ab 1984 lehrte und forschte Brüntrup an verschiedenen US-amerikanischen Universitäten. Seit Januar 2012 ist Brüntrup Inhaber des Erich-Lejeune-Stiftungslehrstuhls für Philosophie und Motivation. Seit 2013 lehrt Brüntrup auch als James Collins Visiting Professor in Philosophy an der Saint Louis University.


Anti-Republikaner-Plakat aus dem 19. Jahrhundert / © Public Domain
Anti-Republikaner-Plakat aus dem 19. Jahrhundert / © Public Domain
Quelle:
DR