Im US-Wahlkampf ist der Faktor Religion weiter stark vertreten

Religion als Trumpfkarte

Religion und Politik vermischen sich in den USA wie wohl nirgends sonst in der westlichen Welt. Aber auch hier ändern sich die Einstellungen - wenn auch langsam.

Autor/in:
Thomas Spang
Stimmabgabe per Computer / © Sid Hastings (dpa)
Stimmabgabe per Computer / © Sid Hastings ( dpa )

Eines der größten Hindernisse auf dem Weg ins Weiße Haus ist bis heute die Ungläubigkeit eines Kandidaten. Deutlich mehr US-Amerikaner halten Atheismus oder Agnostizismus für einen gravierenden Makel als zu viel öffentlich zur Schau gestellte Frömmigkeit. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (51 Prozent) sagten den Meinungsforschern in einer aktuellen Studie des renommierten Pew Research Center, das Eingeständnis eines Kandidaten, nicht an Gott zu glauben, mache ihn weniger wählbar.

Hoher Stellenwert der Religion

Im Vergleich dazu hätten weniger, nämlich 42 Prozent der US-Amerikaner, Bedenken, einen Muslim ins Weiße Haus zu wählen und 20 Prozent einen evangelikalen Christen. Wenn die Demoskopen die rund 2.000 Teilnehmer der Studie umgekehrt danach befragten, wie wichtig der Glaube eines Kandidaten für die Wahlentscheidung ist, bestätigt sich der traditionell hohe Stellenwert der Religion im politischen Diskurs der USA. Mit Gott in den Wahlkampf zu ziehen, ist weiterhin ein großes Plus.

Das mag auch erklären, warum sowohl der Katholik Marco Rubio als auch Ted Cruz nach den Vorwahlen in Iowa erst Gott dann den Wählern dankten. Regional bleibt die Bedeutung religiöser Bekenntnisse im politischen Raum unterschiedlich ausgeprägt. Während es im Mittleren Westen und Süden der USA nicht ohne geht, spielt der Glaube der Kandidaten an der Westküste und in nordöstlichen Bundesstaaten wie New Hampshire eine weniger zentrale Rolle.

Trump macht "wenig religiösen Eindruck"

Bei den US-Wählern macht aufseiten der Republikaner der Rechtspopulist Donald Trump den am wenigsten frommen Eindruck. 60 Prozent der Befragten der Pew-Erhebung finden, der Presbyterianer - der im Vorfeld der New-Hampshire-Wahlen am Dienstag mit der Drohung von "höllisch schlimmeren" Verhörmethoden als "Waterboarding" gegen Terroristen zu punkten versuchte - sei "nicht" oder kaum religiös.

Mit diesem Wert liegt Trump im Gesamtfeld aller Präsidentschaftsbewerber hinten. Auf dem vorletzten Rang steht Hillary Clinton, die 43 Prozent für "nicht" oder kaum religiös befinden. Die praktizierende Methodistin wird damit als weniger gläubig gesehen als der säkulare Jude Bernie Sanders.

Da keiner der drei sich als Atheist erklärt, schadet die Wahrnehmung als "wenig religiös" nicht grundsätzlich ihrer Wählbarkeit - vor allem bei den Demokraten nicht. Dort halten es lediglich 41 Prozent für wichtig, sich mit der Glaubensüberzeugung eines Kandidaten identifizieren zu können. Bei den Republikanern sehen das zwei Drittel der Befragten so.

Abnahme der Bedeutung der Religion über die Jahre

Während diese Werte insgesamt noch vergleichsweise sehr hoch ausfallen, lässt sich doch über die Jahre eine Abnahme der Bedeutung registrieren. In vergangenen Pew-Umfragen hatten insgesamt noch sieben von zehn US-Amerikanern angegeben, der Faktor Religion spiele bei ihrer Kandidatenwahl eine zentrale Rolle.

Schon bei den Präsidentschaftswahlen 2012 zeigte sich bei den Wählern ein Trend zu mehr Flexibilität. So erwies sich das Mormonentum des republikanischen Kandidaten Mitt Romney nicht als Hinderungsgrund, ihn zu wählen. Die von einigen Parteistrategen damals geäußerte Befürchtung, evangelikale Wähler würden Romney wegen dessen religiösem Bekenntnis ihre Stimme verweigern, bewahrheitete sich nicht. Romney verlor vor allem, weil er die konservative Basis seiner eigenen Partei nicht genügend motivieren konnte.

"Gott-Faktor" gibt weniger den Ausschlag

Nach Ansicht des Pew-Analysten Greg Smith wird der Gott-Faktor bei den individuellen Entscheidungen diesmal noch weniger den Ausschlag geben. Die Idee, dass Evangelikale evangelikal oder Katholiken katholisch wählen, lasse sich jedenfalls nicht aus der Erhebung ableiten. "Die Wähler sorgen sich um andere Dinge", so Smith.

Diese Beobachtung wird durch einen anderen Befund der Studie unterfüttert. Mehr als Zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) sagen, die USA entwickelten sich immer mehr zu einem Land, in dem Religion zurückgedrängt werde. Im Wahljahr 2016 ist sie allerdings noch präsent genug, um sich bemerkbar zu machen. Und im Vergleich zu der weit fortgeschrittenen Säkularisierung in Europa bleibt dieser Befund ohnehin sehr relativ.


Quelle:
KNA