Besorgnis und Gebete nach Istanbuler Terroranschlag

Auf dem Pulverfass

Nach dem Terroranschlag in Istanbul mahnt Militärbischof Overbeck gegenüber domradio.de zur Besonnenheit. Papst Franziskus ruft zum Gebet für die Opfer auf. Die beiden großen deutschen Kirchen und der Zentralrat der Muslime äußern sich bestürzt. 

Terror in Istanbul / © Holly Pickett (dpa)
Terror in Istanbul / © Holly Pickett ( dpa )

Die Ereignisse in Istanbul hätten Overbecks Besorgnis bestätigt, "dass das Pulverfass, das sich im Nahen und Mittleren Osten entwickelt hat, zu einem Flächenbrand werden könnte". Er hofft, dass es nicht soweit kommt. Als Christ bete er immer wieder darum, dass Menschen sich bekehren, so der katholische Militärbischof am Dienstag gegenüber domradio.de.

Papst Franziskus gedachte der Opfer des Attentats bei seiner Generalaudienz am Mittwoch auf dem Petersplatz. Er rief zum Gebet für die Toten und Verletzten auf. "Möge Gott, der Barmherzige, den Verstorbenen ewigen Frieden geben, den Familien Trost, der ganzen Gesellschaft solidarische Standfestigkeit, und dass er die Herzen der Gewalttäter bekehre", sagte Franziskus. 

Vatikan verweist auf Barmherzigkeit

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin empfiehlt bei Attentaten wie dem in Istanbul "Barmherzigkeit als Medizin". "Was [in der Türkei] passiert, schmerzt uns. Was dort passiert, [...] bestätigt, dass die beste Medizin im Angesicht des Bösen immer Barmherzigkeit ist", zitiert ihn Radio Vatikan.

Die katholische Kirche in der Türkei befürchtet "weitere Reaktionen und Gewalt", die die Spannungen noch vergrößerten, sagte ein Vertreter des Apostolischen Vikariats Istanbul, Ruben Tierrablanca, dem italienischen bischöflichen Pressedienst SIR (Dienstag). In Istanbul gedachten die deutschsprachigen Kirchengemeinden in Gottesdiensten der Opfer des Anschlags. Evangelische und katholische Kirchengemeinden hätten dem Auswärtigen Amt Kontaktadressen genannt, die für Hilfen und Seelsorge zur Verfügung ständen, sagte die Pfarrerin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Istanbul, Ursula August.

Marx: Geißel des Terrors muss verschwinden

Die beiden großen Kirchen in Deutschland äußerten sich bestürzt über den Terroranbschlag. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte, sein Mitgefühl gehöre den Angehörigen, für die Verstorbenen werde er beten. "Ich bete auch darum, dass die Geißel des Terrors endlich aus unserer Wirklichkeit verschwindet", so Marx.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte, erneut seien unschuldige Menschen Opfer perfider Terroristen geworden. "Was in Istanbul passiert ist, unterstreicht, wie dringlich es ist, dass jetzt alle Länder gemeinsam gegen solchen menschenverachtenden Terrorismus vorgehen", betonte Bedford-Strohm.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) verurteilt den Terroranschlag. "Wir trauern um die Opfer und Hinterbliebenen dieses schrecklichen Terroranschlages in Istanbul vom 12. Januar, den wir aufs Schärfste verurteilen", erklärte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek am Mittwoch. Der Anschlag habe Deutschland und der Türkei gegolten. "Lassen wir nicht zu, dass die Saat des Hasses und der Niederträchtigkeit zwischen unsere Völker gerät", mahnte Mazyek und appellierte an die deutsch-türkische Freundschaft. Die beiden Länder dürften sich durch den feigen Anschlag nicht auseinanderdividieren lassen.

Mindestens neun deutsche Opfer in Istanbul

Ein Selbstmordattentäter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte am Dienstag im historischen Zentrum Istanbuls mindestens neun Deutsche mit sich in den Tod gerissen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den Anschlag als "mörderischen Akt". Der Angreifer sprengte sich nach türkischen Angaben mitten in einer deutschen Reisegruppe in der Umgebung der Hagia Sophia und der Blauen Moschee in die Luft. Der 1988 geborene Attentäter habe dem IS angehört, sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in Ankara. Insgesamt gab es nach türkischen Angaben zehn getötete Opfer sowie den toten Attentäter.

Trotz der aktuellen Ereignisse will Militärbischof Overbeck nicht davon ablassen, dass in jedem Menschen eine Kraft stecke, die Frieden und Versöhnung will und nicht Krieg und Hass.

Overbeck: Anschlag berührt Bundeswehrsoldaten

Auch an den deutschen Soldaten werde der Terroranschlag nicht folgenlos vorüberziehen. "Das wird sie sehr berühren, weil sie auf diese Weise deutlich wissen, unser eigener Einsatz muss unter anderen sicherheitspolitischen Perspektiven weitergestaltet werden", so Overbeck, der kurz zuvor Bundeswehr-Soldaten im Auslandseinsatz im Libanon und Zypern besucht hatte.

Kein Kampf sei gerechtfertigt, betonte Overbeck. "Aber es gibt Situationen, in denen die Anwendung von Gewalt - so sehr sie ein moralisches Übel ist, das nicht zu diskutieren ist - eine Option darstellt, die man nicht einfach nur ablehnen darf." Es gebe Menschen, die keine andere Sprache verstünden. Ein militärischer Einsatz in Syrien oder in der Umgebung dürfe nur friedenspolitisch verantworteten Zielen dienen und diese müssten langfristig bedacht werden, unterstrich der Militärbischof. 

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin erklärte in einem Video auf der Internetseite der Tageszeitung "La Repubblica": "Ohne diesen barmherzigen Blick, von dem Papst Franziskus oft spricht, ist es unseren Beziehungen unmöglich, aus den Konflikten [...] herauszukommen." Ohne gegenseitiges Verzeihen "wird der Kreis aus Gewalt und Konflikten nie durchbrochen werden".

Katholiken in der Türkei beten für Frieden

Die Katholiken in der Türkei wollen sich laut dem Vertreter des Apostolischen Vikariats Istanbul, Ruben Tierrablanca, nun an die Seite des türkischen Volkes stellen. Tierrablanca kündigte an, bei kirchlichen Versammlungen am Dienstag und Mittwoch werde "für das türkische Volk und die Rückkehr des Friedens" gebetet. "Jetzt ist der Moment, dass wir uns mit allen noch mehr und in Solidarität zusammenschließen, Glaubende und Nichtglaubende", so der Geistliche.

Die christlichen Kirchen sind in der Türkei eine kleine Minderheit von landesweit geschätzt 0,5 Prozent. In der historischen Millionenmetropole ist die kirchliche Präsenz deutlicher sichtbar.


Quelle:
DR , KNA , dpa , epd