Der Friedenskindergarten in Jerusalem

Gemeinsam feiern - gemeinsam leben

Im Heiligen Land ist das Verhältnis zwischen Juden, Christen und Muslimen angespannt. Doch im Friedenskindergarten in Jerusalem lernen Kinder von kleinauf, friedlich miteinander zu leben. Darüber berichtet Stiftungs-Direktorin Iréne Pollak-Rein.

Altstadt von Jerusalem mit Tempelberg (KNA)
Altstadt von Jerusalem mit Tempelberg / ( KNA )

domradio.de: Sie leben ja schon seit vielen Jahren in Jerusalem. Wie erleben Sie zur Zeit diese von religiösen Konflikten aufgeladene Stadt?

Irène Pollak-Rein (Direktorin der Abteilung für deutsprachige Länder von The Jerusalem Foundation): Ich lebe schon seit bald 50 Jahren hier. Ich bin ausgewandert aus der Schweiz, da war es um einiges ruhiger. Aber ich muss Ihnen sagen: Alles, was Sie in der Zeitung lesen, ist hier gar nicht so schlimm. Wir leben ein normales Leben. Natürlich kommt immer wieder einmal etwas vor, das wir lieber nicht hätten. Aber der allgemeine Alltag ist ruhig und wir haben nicht nur einen Friedenskindergarten, den sie erwähnt haben. Wir haben ganz viele solcher Treffpunkte.

domradio.de: Und die Kinder, die da im Friedenskindergarten zusammenkommen, woher kommen die?

Pollak-Rein: Im Friedenskindergarten kommen Kinder aus arabisch sprechenden und hebräisch sprechenden Familien. Aber auch aus Familien, die ganz andere Sprachen sprechen. Denn es sind nicht nur die ideologisch ausgerichteten Familien, denen es wichtig ist, dass ihre Kinder den anderen schon von ganz kleinauf kennenlernen. Es sind auch Journalisten und Diplomaten, denen es sehr wohl passt, dass das Kind nicht nur die jüdische Seite, sondern auch die muslimische und christliche Seite kennenlernt. Das ist also ein ganz buntes Mosaik von Kindern und Familien, die sich hier treffen.

domradio.de: Das stelle ich mir auch sprachlich sehr bunt vor. Wie gehen Sie mit diesen vielen Sprachen um?

Pollak-Rein: In den Kindergärten sitzen immer zwei Lehrkräfte - eine mit Muttersprache hebräisch, eine mit Muttersprache arabisch - so dass die Kinder wirklich zweisprachig unterrichtet werden. 

domradio.de: Und die vielen Kulturen - wie lernen die Kinder da friedlich miteinander zu leben?

Pollak: Die großen monotheistischen Religionen werden alle gleichsam gefeiert. Wir können also von Hanukkahfeiern, von Ramadanfeiern und von Weihnachtsfeiern sprechen. Und damit das alles einen weiteren Einfluss hat, werden auch sehr oft die Eltern eingebunden. Damit haben wir wirklich eine Insel des friedlichen Verständnisses. 

domradio.de: Es wird viel gefeiert, geht also sehr fröhlich zu im Friedenskindergarten. Wie merken sie das den Kindern an, dass es denen gut tut, so viele unterschiedliche Feiern mitzuerleben, so viele Kulturen kennenzulernen und in dieser friedlichen Atmosphäre aufzuwachsen.

Pollak-Rein: Dieser Friedenskindergarten hat eine Verlängerung in einer Hand-in-Hand-Schule, die die Jerusalem Foundation ebenfalls sehr fest unterstützt. Dort geht es bis herauf zum Abitur. Also was wir hier im Kindergarten beginnen, ist natürlich weniger wirkungsvoll bei Kleinkindern. Aber es legt eine Schiene, die nachher weitergeht bis zum Abitur. Und in den Universitäten treffen sich ja die Studenten auch. Man muss sich das so vorstellen, dass ein Kind in Jerusalem von ganz klein auf bis zur Universität immer die Möglichkeit hat, den anderen zu treffen und mit dem anderen zu leben.

Das Interview führte Susanne Becker-Huberti.


Tempelberg in Jerusalem / © epa Jim Hollander (dpa)
Tempelberg in Jerusalem / © epa Jim Hollander ( dpa )
Quelle:
DR