Kirche in Spanien droht antiklerikaler Politikwechsel

Der Vierte Advent hat Spanien verändert

Die Ära des traditionellen Zwei-Parteien-Systems ist in Spanien zu Ende. Nach dem Wahlerfolg der neuen Protestparteien ist nun auch eine große Linkskoalition möglich. Das dürfte Folgen für die Kirche in Spanien haben.

Autor/in:
Manuel Meyer
Spanier mit frischgesegneten Hunden / © Fernando Alvarado (dpa)
Spanier mit frischgesegneten Hunden / © Fernando Alvarado ( dpa )

Die konservative Volkspartei von Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) hat am Sonntag die Parlamentswahlen in Spanien gewonnen. Freuen konnten sich die Konservativen aber kaum. Trotz ihrer 123 Mandate war es ein bitterer Sieg: Sie verloren 63 Sitze und damit auch die absolute Mehrheit.

"Ich werde versuchen, eine stabile Regierung zu bilden", erklärte Rajoy wenig euphorisch vom Balkon der Parteizentrale in der Madrider Genova-Straße vor seinen enttäuschten Anhängern. Rajoy weiß, dass es für ihn sehr schwer werden dürfte, Koalitionspartner zu finden. Die jahrelange sozial unverträgliche Sparpolitik, gepaart mit seiner Blockadehaltung gegenüber kleineren nationalistischen Parteien im Baskenland und in Katalonien, hat die Fronten verhärtet.

Wahlerfolg von Ciudadanos und Podemos

Die Wahlen bedeuten für Spanien das Ende einer Ära. Der Vierte Advent hat das Land verändert. Die Wirtschaftskrise und die Korruptionsskandale der großen Volksparteien haben zu einem alles überragenden Wahlerfolg der neuen Protestparteien, der Podemos (Wir können) und der liberal-konservativen Ciudadanos (Bürger) geführt.

Sie wurden auf Anhieb zur dritt- und viertstärksten Fraktion und haben damit dem bisherigen Zwei-Parteien-System, in dem sich Konservative und Sozialisten seit 40 Jahren an der Macht abwechselten, ein Ende gesetzt.

Die Volksparteien brauchen die neuen Protestparteien nun, um Regierungsmehrheiten bilden zu können. Besonders schwer haben es die Konservativen: Eine große Koalition mit den Sozialisten von Oppositionsführer Pedro Sanchez (PSOE) ist so gut wie ausgeschlossen.

Die neue Mitte-Rechts-Partei Ciudadanos wurde mit 40 Mandaten nicht stark genug, um der PP zu einer ausreichenden Regierungsmehrheit zu verhelfen. Zudem kündigte Ciudadanos-Chef Albert Rivera bereits an, Rajoy nicht unterstützen zu wollen.

Wird der Einfluss der Kirche beschnitten?

"Dieses Panorama eröffnet nun in Spanien die Möglichkeit einer linken Regierungskoalition, was nicht im Interesse der katholischen Kirche sein dürfte", sagte der Politologe Jaume Lopez der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Sozialisten, mit 90 Mandaten zweitstärkste Fraktion, brauchen sowohl die Unterstützung der linkspopulistischen Podemos-Partei, die mit 69 Sitzen aus dem Stand drittstärkste Kraft wurde, als auch die der Vereinten Linken (IU).

Vor allem Podemos und IU werden den Sozialisten für eine parlamentarische Unterstützung drastische Reformen und Kursänderungen abverlangen - die zum Scheitern einer solchen Linkskoalition führen könnten. Bei einigen Reformvorschlägen sind sich die drei linken Parteien allerdings einig: Alle drei planen, die Rechte und den Einfluss der katholischen Kirche drastisch zu beschneiden. So forderten sie im Wahlkampf, den Religionsunterricht aus den Lehrplänen der öffentlichen Schulen zu verbannen. Die Parteien sprachen sich auch dafür aus, die von der Volkspartei vorgenommene geringfügige Verschärfung der spanischen Abtreibungsgesetze wieder rückgängig zu machen.

Höhere Besteuerung der Kirche gefordert

Zudem soll die Kirche nach den Vorstellungen des potenziellen Linksbündnisses höher besteuert werden. Gebäude in Kircheneigentum, die nicht religiösen Zwecken dienen, sollen nicht mehr wie bisher von der Immobiliensteuer befreit werden. Zudem plädierten die drei Parteien dafür, die Besitzansprüche der Kirche genauer unter die Lupe nehmen zu wollen - etwa im Fall der Moschee-Kathedrale in Cordoba.

Beobachter gehen davon aus, dass Podemos von den Sozialisten sogar die Aussetzung der Verträge mit dem Heiligen Stuhl fordern dürfte.

Zudem will die aus einer Protestbewegung hervorgegangene Partei Seelsorge und Gottesdienste an staatlichen Krankenhäusern, Universitäten, in der Armee sowie in den Botschaften des Landes verbieten - was wiederum bei den Sozialisten auf wenig Widerstand stoßen dürfte.

Spanien und ganz Europa blicken mit großer Spannung auf die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen. Und auch die katholische Kirche wird die Regierungsbildung aufmerksam verfolgen.


Quelle:
dpa