Hannoveraner Propst über die Lichterkette vor dem Stadion

In guten Händen gefühlt

Das Länderspiel am Dienstagabend in Hannover wurde abgesagt - die Lichterkette der Religionsgemeinschaften vor dem Stadion hatte zuvor stattgefunden. Wie Propst Martin Tenge den Abend erlebt hat, erzählt er im domradio.de-Interview.

Lichterkette in Hannover / © Ole Spata (dpa)
Lichterkette in Hannover / © Ole Spata ( dpa )

domradio.de: Sie wollten mit Kerzen in der Hand vor das Stadion ziehen. Wie weit sind Sie denn gekommen?

Propst Martin Tenge (Regionaldechant in Hannover): Wir sind bis zum Stadion gekommen. Ausgangspunkt war der Rathausplatz und wir sind dann mit mehreren hundert Menschen in einem beeindruckenden Zug zum Stadion gegangen. Es war sehr friedlich, fast andächtig. Wir sind dann auch angekommen und konnten die Lichterkette bilden. Kurz nachdem wir da waren kam die Ansage, dass wir bitte wieder gehen möchten. Es gab nochmal einen ausdrücklichen Hinweis von Polizisten, die sagten: 'Toll, dass ihr da seid, aber wir bitten euch, jetzt zu gehen. Wir müssen hier evakuieren.'

domradio.de: Wieviele Menschen sind Ihrem Aufruf gefolgt?

Propst Tenge: Das müssen mindestens 500 gewesen sein, genau weiß ich es nicht. Als die Kerzen sichtbar waren, war das schon sehr beeindruckend.

domradio.de: Wie war das, als die Polizei Sie aufgefordert hat, zu gehen?

Propst Tenge: Wir haben verstanden, dass eine Situation eingetreten ist, die wir uns nicht gewünscht haben, die aber sehr deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Wir haben dann auch gesagt: 'Okay, jetzt gehen wir.' Auch die Fußballfans haben aus meiner Sicht direkt gesehen, dass das nicht schön ist, aber sie den klaren Ansagen der Polizei folgen müssen. Ich habe das als sehr ruhig erlebt. Es gab keine Panik und keine Auseinandersetzungen. Wie damit seitens der Verantwortlichen und seitens der Bevölkerung umgegangen worden ist, fand ich ganz großartig. 

domradio.de: Hatten Sie persönlich Angst?

Propst Tenge: Ich habe mich nicht bedroht gefühlt. Ich wusste mich bei den Sicherheitskräften in sehr guten Händen. Natürlich fragt man sich, was hier jetzt eigentlich passiert. Aber ein Angstgefühl hatte ich nicht.

domradio.de: Was ist Ihr persönliches Fazit des gestrigen Abends in Hannover?

Propst Tenge: Mein Fazit ist, dass wir den richtigen Schritt getan haben: Ein sichtbares Zeichen zu setzen, dass die Stadtbevölkerung zusammen mit den Fußballfans sagt, das wir eine demokratische Gesellschaft, in der Vielfalt möglich ist, wollen. Ich hoffe, dass dieses Signal weiter wirkt, denn wir brauchen es weiterhin. Denn dieser Anschlag, der da möglicherweise geplant war, hat tiefe Spuren hinterlassen. Menschen, die überhaupt nichts dafür können, werden zur Verantwortung gezogen, nach dem Motto: Ihr Muslime. Das kann ich nicht mehr hören. Das ist nicht richtig, aber es ist im Moment die Gefühlslage. Und deshalb hoffe ich, dass wir weiter Lichtzeichen in unserer Gesellschaft setzen können.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 


Quelle:
DR