Aussöhnung zwischen deutschen und polnischen Bischöfen

Ein Beispiel für alle Nationen

Es war ein riskanter Schritt für die polnischen Bischöfe. Ihre am Mittwoch vor 50 Jahren verfasste Vergebungsbitte an die deutschen Amtsbrüder löste beim Kirchenvolk Unmut aus. Die Erinnerung an die Nazi-Gräuel waren noch lebendig.

Karl Kardinal Lehmann und Jozef Michalik beim 40. Jahrestag des deutsch-polnischen Briefwechsels / © Katharina Ebel (KNA)
Karl Kardinal Lehmann und Jozef Michalik beim 40. Jahrestag des deutsch-polnischen Briefwechsels / © Katharina Ebel ( KNA )

Es war eine Sternstunde der katholischen Kirche: Vor 50 Jahren baten deutsche und polnische Bischöfe einander um Vergebung für das Leid des Zweiten Weltkriegs. Mitten im Kalten Krieg und zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils stellte der Briefwechsel die Signale auf Versöhnung.

Jetzt würdigte auch Papst Franziskus die deutsch-polnische Aussöhnung. Diese Geste könne ein Beispiel für alle Nationen sein, die sich in Konfliktsituationen befinden, heißt es in seiner Grußbotschaft. Die Bischöfe Deutschlands und Polens wollen den 50. Jahrestag der Versöhnungsgeste umfangreich feiern. Am 18. November werden zeitgleich in Berlin und Breslau (Wroclaw) zwei Ausstellungen zum Briefwechsel eröffnet. Am 22. November treffen sich rund 30 Bischöfe in Tschenstochau. Dabei wollen sie eine gemeinsame Erklärung verabschieden, in der es auch um die aktuellen Herausforderungen in der Friedens- und Flüchtlingspolitik gehen soll.

Über Jahrzehnte Ängste und Vorbehalte

Solche Begegnungen sind inzwischen Routine: 1995 richteten die beiden Bischofskonferenzen eine Kontaktgruppe ein, die sich regelmäßig über kirchliche und gesellschaftliche Fragen austauscht. Das 1993 gegründete Osteuropa-Hilfswerk der deutschen Katholiken Renovabis unterstützt zahlreiche Projekte im Nachbarland.

Dass die Schatten des Weltkriegs dennoch weit reichen, zeigte sich 2009, als eine gemeinsame Erklärung zum Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nur nach langem Ringen zustande kam. Wichtigster Konflikt damals: die Bewertung der Vertreibungen der Deutschen.

Ängste und Vorbehalte gab es über Jahrzehnte. Erste Kontakte zwischen deutschen und polnischen Katholiken fanden erst Mitte der 1950er Jahre statt. Vor allem Laien brachten die Versöhnung voran: etwa mit Sühnewallfahrten der deutschen Pax-Christi-Sektion nach Auschwitz oder durch Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die Kontakte mit Intellektuellen in Polen pflegten. 1973 gründeten deutsche Katholiken das Maximilian-Kolbe-Werk, das überlebenden NS-Opfern hilft.

Briefwechsel im Spätherbst 1965

Vor diesem Hintergrund war die Versöhnungsgeste von 1965 ein wichtiger Schritt nach vorn: Kurz vor Ende des Konzils, am 18. November 1965, veröffentlichten die polnischen Bischöfe ihren Brief, der mit den Worten endete: "In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin (...), gewähren Vergebung und bitten um Vergebung." Zwei Wochen später antworteten die deutschen Bischöfe: "Furchtbares ist von Deutschen und im Namen des deutschen Volkes dem polnischen Volk angetan worden. So bitten auch wir zu vergessen, ja wir bitten zu verzeihen."

Allerdings blieben die Spielräume begrenzt: Die polnischen Bischöfe waren enttäuscht, dass ihre Amtsbrüder die Anerkennung der polnischen Westgrenze ausklammerten - anders als die Evangelische Kirche in ihrer ebenfalls im Herbst 1965 erschienenen Ostdenkschrift, die einen Verzicht auf die früheren deutschen Ostgebiete nahe legte. Bei den in Polen regierenden Kommunisten löste der Brief antikirchliche Maßnahmen aus. Auch die deutschen Bischöfe bekamen heftigen Gegenwind, etwa von den Heimatvertriebenen.

Dem Dialog der Politiker voraus

Für die Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt (SPD) bedeutete das Engagement der Kirchen dennoch Rückenwind. Brandt selber formulierte es so: "Das Gespräch der Kirchen und ihrer Gemeinden war dem Dialog der Politiker voraus." Die Zugeständnisse der sozial-liberalen Koalition gegenüber Polen führten dann umgekehrt zu einer Bereinigung auf kirchlichem Gebiet. 1972 ordnete der Vatikan die Kirchenstrukturen in den früheren deutschen Ostgebieten neu und gründete polnische Diözesen - unter heftigem Protest der deutschen Katholiken.

Trotz solcher Irritationen ließen die Katholiken beider Länder den Faden nicht mehr abreißen. Als Polens Regierung im Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängte, riefen die deutschen Bischöfe zu Kollekten und Paketspenden auf. Der Zusammenbruch des Ostblocks stellte das deutsch-polnische Verhältnis auch bei den Kirchen auf eine neue Grundlage: Deutsche und Polen konnten eine normale Nachbarschaft erlernen.

 

Unser Bild zeigt die damaligen Vorsitzenden der deutschen und polnischen Bischofskonferenzen, Karl Kardinal Lehmann und Jozef Michalik, beim 40. Jahrestag des deutsch-polnischen Briefwechsel im Jahr 2005.


Quelle:
KNA