Interview mit Diözesanrat-Vorsitzendem und Solinger Oberbürgermeister Kurzbach

"Wir dürfen uns nicht abschotten"

Tim Kurzbach ist neuer Solinger Oberbürgermeister. Im domradio.de-Interview erzählt er, wie er sich als Lokalpolitiker nach dem Attentat auf Henriette Reker fühlt und warum er am Montag mit den Klimapilgern ein Stück Richtung Paris geht.

Tim Kurzbach / © N.N. (dpa)
Tim Kurzbach / © N.N. ( dpa )

domradio.de: Chef des Diözesanrates im Erzbistum und Oberbürgermeister der Großstadt Solingen - das ist eine ganz schöne Doppelbelastung, oder?

Tim Kurzbach (Oberbürgermeister von Solingen und Vorsitzender des Diözesanrates im Erzbistum Köln): Naja, langweilig wird mir zurzeit zumindest nicht. Das stimmt schon. Aber im Diözesanrat sind wir ein gut aufgestelltes Team. Das gibt es zwar den Vorsitzenden, aber ich war es seit meiner Zeit beim BDKJ immer gewohnt, in Teams zu arbeiten. Von daher können wir die Aufgaben auf alle in diesem tollen Team gut verteilen. Auch die Geschäftsstelle arbeitet da gut mit. Wir werden kräftig weiter daran bauen, auch die Kirche von Köln in die Zukunft zu bringen.

domradio.de: Vergangene Woche war ganz Deutschland schockiert über das rechtsmotivierte Attentat auf Henriette Reker. Wie fühlen Sie sich im Angesicht dessen im Moment als Kommunalpolitiker? Ergreifen Sie jetzt besondere Sicherheitsmaßnahmen?

Kurzbach: Erstmal zieht einem eine solche Nachricht wirklich den Teppich unter den Füßen weg. Das war wirklich schockierend. Ehrlich gesagt: Ja, ich kenne auch Situationen aus dem Wahlkampf, in denen Menschen einem bedrohlich nahe gekommen sind. Allerdings ist das alles nicht vergleichbar mit dem, was Frau Reker Schreckliches passiert ist. Ich wünsche ihr alles Gute, dass sie wirklich gesund wird und ihr Amt ausüben kann.

Die Lösung darf aber nicht sein, dass wir uns weiter abschotten. Sondern sie muss sein, dass wir als Kommunalpolitiker nah bei den Menschen bleiben und mit ihnen diskutieren. Das ist aber keine Aufgabe, die wir nur den Politikern zuschieben dürfen, hier sind wir auch als Christen gefordert, Flagge zu zeigen. Ich bin total froh und stolz, dass viele kirchliche Gruppen gestern bei der Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit in Köln mitgemacht haben. Da müssen wir weiter Flagge zeigen - übrigens auch im Netz. Hier braucht es auch einen Aufstand der Anständigen. Da wird viel zu viel brauner Mist abgesondert und da müssen wir uns dagegen stellen. 

domradio.de: Im Moment ist eine Gruppe von ökumenischen Klimapilgern unterwegs. Sie wollen im Dezember zur Weltklimakonferenz in Paris ankommen. Heute werden die Pilger von Ihnen in Solingen empfangen und begleitet. Wie wird das ablaufen?

Kurzbach: Die Gruppe ist ja schon eine ganze Zeit unterwegs, hatte gestern ihr Bergfest und pilgert jetzt durchs Bergische Land. Und da ist es mir als katholischem Christen wichtig, dass ich auch selber mitpilgere - wenn eine solche Gruppe schon durch die Stadt kommt, die ich repräsentiere. Außerdem halte ich Pilgern für eine ganz wunderbare Sache: Sich auf den Weg zu machen, zu überdenken, aber auch selber voranzukommen. 

Ich will da mitmachen, aber auch konkret Konsequenzen bei uns im Rathaus einführen. Wir werden dem Prozess der Nachhaltigkeit hier in Solingen noch einmal neuen Schwung verleihen. Ich werde mein ganzes Rathaus auf eine Nachhaltigkeitsstrategie hin überprüfen lassen. Da ist so manches eingestaub oder vielleicht vergessen worden. Da müssen wir ran, um unserer Verantwortung für die Gesellschaft und die Welt der Zukunft gerecht zu werden. 

domradio.de: Sie sind ein katholischer Oberbürgermeister. Welche Rolle spielt denn Ihr Glaube in den ersten Tagen in diesem Amt für Sie persönlich?

Kurzbach: Ich selber bin katholisch, aber der Oberbürgermeister ist für jede und jeden da - egal, welches Alter, welche Religion, wo er geboren ist. Dieser Oberbürgermeister hat eine offene Tür für jeden. Ich selber bin katholisch und stehe dazu. Ich spreche jeden Tag über meinen Glauben. Gestern hatten wir die Gründung einer Hospiz-Stiftung hier in Solingen. Da war es wunderbar, dass die katholische Liturgie den Psalm 126 hatte, in dem es so schön heißt: Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Das habe ich direkt in meine Rede eingebaut, weil es so wunderbar zum Thema Hospiz passte.

Ich leben meinen Glauben sehr bewusst, ich nehme vieles mit in mein Gebet und ich sage Ihnen auch eines: Wenn Sie die vielen Entscheidungen jetzt zu treffen haben und da doch manchmal ganz schön alleine sind, dann ist es ein verdammt gutes Gefühl zu wissen, dass es Menschen gibt, die für einen beten. Das ist ein Gefühl von Getragensein, dass einem Stärke gibt.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR