Kubas Präsident Raul Castro verändert den Staat

Der stille Revolutionär

Stille Wasser sind tief, so heißt es. Als der kleine blasse Bruder des "Maximo Lider" Fidel Castro 2008 des Zepter der Revolution übernahm, gab man nicht viel auf ihn. Doch Raul Castro baut den kubanischen Beton um.

Castro zu Besuch beim Papst (dpa)
Castro zu Besuch beim Papst / ( dpa )

Lange und ausführlich reden, das kann Raul Castro auch. Aber er erspart seinen Landsleuten die stundenlangen Vorträge seines älteren Bruders und Vorgängers als Revolutionsführer, Fidel. Als Raul Castro 2008 als Präsident des Staats- und des Ministerrates der Republik Kuba zur politischen Nummer eins der kommunistisch regierten Insel aufstieg, rechneten viele Beobachter damit, dass der spröde und langweilig wirkende "kleine Bruder" des Maximo Lider nur ein Übergangspräsident sein würde. Zu farblos, zu visionslos, so war sein Image.

Doch der heute 84-jährige Sohn eines Großgrundbesitzers überrascht seine Landsleute und den Rest der Welt mit einem unaufgeregten, dafür aber international mit großer Aufmerksamkeit verfolgten Reformkurs. Was sein Bruder jahrzehntelang scheute, packt Raul Castro an. Vorsichtige privatwirtschaftliche Reformen, eine Aussöhnung mit der katholischen Kirche, die politische Annäherung zu den USA. Was Raul Castro angeht, ist keineswegs überstürzt, sondern von langer Hand vorbereitet.

Die zweite Revolution

Der nächste Coup ist schon angedacht: Kuba soll schon bald ans digitale Zeitalter andocken. Doch Castro wäre nicht Castro, würde er seine alleinherrschende kommunistische Partei nicht auf dieses für ein totalitäres Regime gefährliches meinungspluralistisches Zeitalter vorbereiten. Kubas Staatsmedien, die linientreu der offiziellen Linie folgen, sollen am "Tag X" eine eigene digitale Offensive starten - damit der Geist der Revolution nicht im Netz verloren geht.

Raul Castro ist der Anführer einer zweiten, einer stillen Revolution, die schleichend vonstatten geht. "Aktualisierung" nennen das die Machthaber im offiziellen Sprachgebrauch. Er ließ einen hochmodernen Container-Hafen bauen, der schon bald - wenn einmal das US-Embargo fällt - wegen seiner strategischen Lage zu einem der Gewinner des Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU werden könnte. Mit Blick auf die jüngste, von Papst Franziskus vermittelte diplomatische Annäherung zwischen den USA und Kuba ist diese Rieseninvestition in die so gar nicht kommunistische Sonderwirtschaftszone am Hafen ein spannendes Element.

Immer noch keine Meinungsvielfalt

Auch politisch sind die Machthaber auf eine neue Zeit vorbereitet. Raul Castro begann vor vier Jahren einen Dialog mit der bis dahin völlig kaltgestellten, allenfalls geduldeten katholischen Kirche. Kardinal Jaime Ortega (78) ist seitdem einer seiner wichtigsten Ansprechpartner außerhalb des gigantischen und bestens durchorganisierten kommunistischen Machtapparats. Denn eine Opposition gibt es auf Kuba offiziell nicht.

Castro ließ die wichtigsten Regimekritiker erst ein paar Jahre im Kerker schmoren, dann entsorgte er sie ins Ausland. Dort sind sie vom politischen Prozess abgeschnitten. Der Rest der auf der Insel verbliebenen wird immer wieder mit Verhaftungen, Prügel und Berufsverbot schikaniert. Bei aller Altersmilde, die Raul Castro ausstrahlt: Meinungsvielfalt und Parteienvielfalt scheuen Kubas Kommunisten wie der Teufel das Weihwasser. In der Nach-Castro-Ära hätte dann ein Nachfolger erst mal nicht mit unbequemen Herausforderern aus der Zivilgesellschaft zu rechnen. Nach eigener Lesart betrachtet sich die kubanische Regierung ohnehin auch als deren Vertreter.

Mit dem Annäherungsprozess findet Raul Castro offenbar auch wieder Gefallen an der katholischen Kirche. In jungen Jahren hatte er eine Jesuitenschule besucht, dann aber in der Zeit nach der Revolution die harte Gangart der neuen Machthaber gegen die Kirche mitgetragen. Vor allem der Argentinier Franziskus hat es ihm angetan. "Ich habe alle Reden des Papstes gelesen", sagte Castro nach einem Treffen mit Franziskus im Mai. "Kein Witz, wenn der Papst weiter so redet, dann fange ich früher oder später wieder an zu beten und trete der katholischen Kirche bei."


Quelle:
KNA