Buch zeigt weltliches und religiöses Stimmungsbild

Gläubig und kritisch

Die Deutschen wünschen sich Reformen in der Kirche. Das ist ein Ergebnis des Buchs "Wie wir Deutschen ticken". Außerdem sei herausgekomme, dass Franziskus ein guter Imageträger für die Kirche sei, so der Herausgeber gegenüber domradio.de.

Autor/in:
Anna Mertens und Paula Konersmann
Umfrage "Wie wir Deutschen ticken" (dpa)
Umfrage "Wie wir Deutschen ticken" / ( dpa )

Im Bereich von Kirche und Glauben herrsche der Wunsch nach Veränderung. Die Hälfte der befragten Westdeutschen bezeichne sich nach wie vor als gläubig, bei den Ostdeutschen sind es 30 Prozent, sagt YouGov-Vorstand und Herausgeber Holger Geißler bei der Vorstellung des Bandes in Berlin. Zudem werde Papst Franziskus als Sympathieträger gesehen. 41 Prozent der Befragten hätten angegeben, der Argentinier fülle sein Amt besser aus als sein Vorgänger Benedikt XVI., 18 Prozent meinen das Gegenteil. "Von seiner Wirkung her kommt Franziskus insgesamt bei den Deutschen, nicht nur bei den Katholiken, sehr gut an", so Geißler im Gespräch mit domradio.de.

Dennoch, so Geißler, habe die Kirche mehr als ein Imageproblem. "Viele Menschen wissen nicht mehr so richtig, warum sie dabei sind." Die Hälfte der Befragten hat demnach bereits mindestens einmal mit dem Gedanken gespielt, aus der Kirche auszutreten. Insofern habe die Kirche noch "große Hausaufgaben" vor sich, sagt der Meinungsforscher. Eine Mehrheit von 84 Prozent wünsche sich eine "Religion in modernerem Gewand". Autor Christoph Drösser fügt hinzu, beunruhigend für die Kirchen sei vor allem die geringe Zustimmung für die vom Staat eingezogene Kirchensteuer: 16 Prozent bezeichneten das Verfahren in der Studie als "richtig".

Überraschung beim Aberglauben

Ostern und Weihnachten bleiben indes wichtige Feste, auch wenn die Kirche eine untergeordnete Rolle spielt: Nur 16 Prozent besuchen an Ostern einen Gottesdienst, die Frage nach der Christmette wurde nicht gestellt. Aber ein Viertel sucht Ostereier, und mehr als die Hälfte backt Weihnachtsplätzchen, am liebsten zum Klang von "Stille Nacht, heilige Nacht" - dem Favoriten bei den Weihnachtsliedern.

Überrascht hätten das Forschungsteam die Ergebnisse zum Thema Aberglaube, sagte Geißler. "Man hält Deutschland immer für sehr rational, aber die Studie zeigt ein anderes Bild." So gaben 46 Prozent der Befragten an, dass sie an hellseherische Fähigkeiten glauben. 23 Prozent meinen demnach, dass sie schon einmal gelebt haben und 20 Prozent, dass Menschen mit Verstorbenen in Kontakt treten können. Ebenfalls überraschend sei die Kinderfreundlichkeit der Deutschen, so Autor Drösser. Nur 30 Prozent sagten beispielsweise, Kinder hätten nichts in klassischen Konzerten zu suchen.

Toleranz gegenüber Homosexualität

Bei den Themen Partnerschaft und Fortpflanzung vermischen sich traditionelle und liberale Ansichten: So leben mehr als zwei Drittel (69 Prozent) in einer festen Partnerschaft, und rund drei Viertel (77 Prozent) halten die Ehe weiter für zeitgemäß. Andererseits finden 69 Prozent der Befragten Scheidungen völlig normal, und ein ähnlich großer Anteil (63 Prozent) ist der Ansicht, gleichgeschlechtliche Partnerschaften sollten der Ehe zwischen Mann und Frau vollständig gleichgestellt werden. Zudem sind 45 Prozent der Befragten dafür, Leihmutterschaft zu erlauben. Und für 63 Prozent gibt es Situationen, in denen eine Abtreibung gerechtfertigt sein kann. Damit stimmt die Mehrheit nicht mit den kirchlichen Moralvorstellungen überein.

Drösser betonte weiter, Studien seien oftmals ein Indikator für gesellschaftliche Entwicklungen. Dies habe sich etwa daran gezeigt, dass 66 Prozent der Befragten Homosexualität als "sexuelle Orientierung wie jede andere auch" bezeichneten. "Ich glaube nicht, dass es so ein Ergebnis vor zehn Jahren gegeben hätte", so der Autor.

Der Autor und das Meinungsforschungsinstitut haben in 80 Online-Befragungen in den vergangenen Jahren rund 1.000 Bundesbürger ab 18 Jahren zu ihren Vorlieben und Denkweisen befragt. Die Spannbreite reicht von Fragen zum Glauben über Literatur bis hin zum Einkaufsverhalten.


Quelle:
KNA , DR