US-Expertin: Bedeutung des Katholizismus wächst

Vorwahlkampf mit religiösen Noten

Die Bedeutung des Katholizismus nimmt nach Einschätzung der Amerikanistik-Professorin Sabine Sielke in den USA zu. Grund dafür ist eine veränderte Bevölkerungsstruktur. Sielke blickt auf die erste TV-Debatte der Republikaner.

Donald Trump (dpa)
Donald Trump / ( dpa )

domradio.de: Woran wurde bei dem Wahlduell deutlich, dass auch hier wieder religiöse Werte als besonders wichtig erachtet werden?

Sabine Sielke (Professorin für Nordamerikanische Literatur und Kultur an der Uni in Bonn): Die Bedeutung der Religion zeigte sich auf sehr vielen Ebenen der Debatte und das auf direkte und indirekte Weise. Zum einen dadurch, dass einige der Kandidaten dem religiös konservativen Spektrum der Republikaner zugerechnet werden können und diese Position auch vertreten. Zum Beispiel Mike Huckabee, der früher sogar Baptistenprediger war oder Ted Cruz und Rand Paul, die der Tea-Party nahe stehen. Diese Kandidaten brandmarken gleichzeitig die Demokraten immer als links und progressiv. Kandidaten wie Scott Walker und Ted Cruz vertreten in den Debatten um die eingeschlechtliche Ehe oder Abtreibung konservative Positionen und auch diese assoziieren wir häufig mit einer religiösen Moral.

Gleichzeitig wird die Religiosität vielleicht auch implizit deutlich. Die Tatsache, dass Kandidaten wie Trump reüssieren können, lässt sich auf die puritanische Überzeugung zurückführen, dass wirtschaftlicher Erfolg ein Zeichen von Gottes Gnade ist. Das glaubten die Puritaner früher. Es ist dadurch auch kein Makel, wenn man in ein solches Rennen startet und nur die Qualifikation hat, Milliardär zu sein und viel Geld gescheffelt zu haben. Gleichzeitig scheint natürlich die Haltung von Trump in Fragen der Einwanderungspolitik wenig christlich. Er will ja eine Mauer an der US-amerikanischen Grenze zu Mexiko bauen, während Jeb Bush, wie sein Bruder George W. Bush, bereits für eine Einbürgerung illegaler Einwanderer plädiert.

Letztendlich kam auch die Frage des Glaubens ganz direkt am Ende der Debatte zur Sprache. Floridas Senator Marco Rubio, dessen Eltern aus Kuba in die USA eingewandert sind, wurde gefragt, wie es denn mit seinem Gottesglauben stehe. Er antwortete auf diese Frage, dass er glaube, dass die Republikaner mit so vielen guten Kandidaten gesegnet seien, während die Demokraten nicht einen guten finden könnten. Das kann man natürlich auch ganz anders sehen, das unübersichtliche Kandidatenfeld spiegelt natürlich auch den Zustand einer Partei, die jetzt noch viele weitere Duelle vor sich hat, um einen Spitzenkandidat überhaupt erst küren zu können. Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen und vielleicht auch kein Zeichen der Gnade Gottes.

domradio.de: Inwiefern ist die amerikanische Politik, insbesondere die der Republikaner mit der Religion in viel stärkerem Maße verwoben als in Deutschland?

Sielke: Die besondere Bedeutung religiöser Praxis für die Politik ist aus der Geschichte der amerikanischen Kultur zu verstehen. Die europäischen Auswanderer, die sich Anfang des 17. Jahrhunderts im Osten Nordamerikas ansiedelten, waren ja Puritaner, die ihren Glauben in England und Holland nicht leben konnten und die religiös verfolgt wurden. Ihre Überzeugungen haben dann die amerikanische Politik nachhaltig geprägt und zu dem geführt, was wir heute als Zivilreligion beschreiben. Während in den USA, wie bei uns ja, die Kirche vom Staat getrennt ist, ist religiöse Praxis sehr Teil des Alltags und der Politik in den USA. Wir sehen das zum Beispiel daran, dass in „God we trust“ „wir vertrauen in Gott" das nationale Motto der USA ist, das auf Geldscheinen und Münzen gedruckt ist oder dass religiöse Rhetorik die Reden amerikanischer Präsidenten schon immer gekennzeichnet hat.

domradio.de: Wie entscheidend ist es für religiöse Menschen in den USA, egal welcher Ausprägung, ob der US-Präsidentschaftskandidat nun ein Jeb Bush sein wird oder eine Hillary Clinton?

Sielke: Ich glaube für manche Wähler ist die Konzession eines Kandidaten sicher von Bedeutung. Dass Romney kein Christ war und sein Vize Paul Ryan ein Katholik, wird ihm Wählerstimmen gekostet haben. Auch demokratische Präsidenten müssen sich immer wieder erklären: Kennedy war Katholik und hat das thematisiert. Ich weiß nicht, ob es wirklich wahlentscheidend ist. Wir tendieren aus der europäischen Perspektive so ein bisschen dazu, immer die Republikaner in den Blick  zu nehmen, während eigentlich die Demokraten genau so wichtig und fest in Glaubensfragen sind. Sie stehen dort häufig nicht im Vordergrund. Was jetzt von Bedeutung ist, ist in den USA eine Veränderung der Bevölkerungsstruktur. Latinos und viele andere Einwohner sind sehr religiös, oftmals auch Katholiken. Die Bedeutung des Katholizismus in den USA wächst. Religiös sind letztendlich auch immer schon die Afroamerikaner gewesen. Das sind wichtige Momente in dieser ganzen Debatte, um die Wahl und um die Bedeutung von Religionen in den USA heutzutage.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR