Adveniat-Referent Hagenmaier über das Verhältnis der kubanischen Kirche zum Staat

"Politisch spielt die Kirche eine wichtige Rolle"

Mit dem ersten Treffen der Staatschefs der USA und Kubas seit 60 Jahren wird am Freitag ein Meilenstein gesetzt. Martin Hagenmaier, Kuba-Referent bei Adveniat, erzählt im domradio.de-Interview, wie die Kirche auf Kuba ihre Unabhängigkeit nutzt.

Fahrradtaxi in Havanna auf Kuba (dpa)
Fahrradtaxi in Havanna auf Kuba / ( dpa )

domradio.de: Ist das heute mit dem Treffen von Barack Obama und Raul Castro ein großer historischer Tag?

Martin Hagenmaier (Kuba-Referent beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat): Man kann auf jeden Fall von einem historischen Treffen sprechen, zumal sich die beiden Staatschefs das erste Mal offiziell verabredet haben. Man erwartet, dass sie sich die Hand geben. Es ist das erste reale Treffen, nachdem sie vorher schon über Fernsehen und Telefon miteinander gesprochen haben.

domradio.de: Es heißt, Kuba könnte eventuell von der US-Terrorliste verschwinden, diplomatische Beziehungen könnten aufgenommen werden. Wird heute auch ein neues Kapitel in der Geschichte der beiden Staaten aufgeschlagen?

Hagenmaier: So kann man es sehen, wenn man auch die Vorbereitungen, die im vergangenen Jahr begonnen haben, berücksichtigt. Hier hatte Papst Franziskus eine entscheidende Rolle gespielt. Die Verhandlungen laufen schon eine Weile und werden sicher auch noch andauern. Aber wir werden heute gespannt auf die aktuellen Nachrichten warten.

domradio.de: Welche Interessen stecken denn hinter diesen Annäherungsversuchen?

Hagenmaier: Es gibt verschiedene Interessen. Wichtig ist, zu sehen, dass sich die Zeit gewandelt hat. Wir haben heute eine neue Generation in den USA. Die Situation in Kuba ist ebenfalls eine andere: Mit Raul Castro gibt es seit einigen Jahren einen neuen Staatschef. Obama hat Interesse daran, am Ende seiner Regierungszeit außenpolitisch noch ein paar Pflöcke einsetzen. Man kann auch sehen, dass sich die Exil-Kubaner in den USA auch eine Änderung gewünscht haben. Heute herrscht die Meinung vor, dass das Embargo überholt ist und es Zeit ist, neue Beziehungen einzugehen.

domradio.de: Gerade wirtschaftlich leidet Kuba. Wäre das Ende des Embargos für die Bevölkerung auf Kuba ein Meilenstein?

Hagenmaier: Es ist sicher ein ganz wichtiger Schritt. Auch wenn das Embargo nicht der einzige Grund für die schwierige Situation der Menschen auf Kuba ist. Es wurden ja schon einige Beschränkungen zum Beispiel im Bereich der Reisefreiheit aufgehoben. US-Amerikaner können auch schon wieder mehr Geld nach Kuba überweisen. Das hat Auswirkungen, der Tourismus ist zum Beispiel in den ersten Monaten dieses Jahres schon ganz gewaltig gestiegen. 

domradio.de: Würde das Ende des Embargos auch etwas an der Situation der Kirche in Kuba und an der Arbeit von Adveniat ändern?

Hagenmaier: Das ist schon in den letzten Jahren der Annäherung spürbar: Die Papstbesuche, die es gegeben hat, und die offiziellen Gespräche zwischen der Regierung und der Kirche. Man kann sagen, dass es sich schon gebessert hat und das Tauwetter im Moment anhält. Wir haben dadurch neue Herausforderungen. Die Kirche muss auf diese Veränderungen in der Gesellschaft reagieren.

domradio.de: Papst Franziskus hatte eine Vermittlerrolle angenommen bei den Annäherungsbemühungen. Auch der Erzbischof von Miami, Thomas Wenski, ist engagiert. Welche Rolle spielt denn die Kirche in diesen Bemühungen?

Hagenmaier: Die Kirche spielt eine sehr wichtige Rolle. Der Kardinal von Havanna, Jaime Ortega, hatte auch eine sehr tragende Rolle. Gemeinsam mit dem Erzbischof von Miami hat er die Entwicklung begleitet. Politisch spielt die Kirche eine wichtige Rolle. Aber sie spielt auch in der kubanischen Gesellschaft eine Rolle. Die Kirche war in Kuba immer selbstständig und unabhängig. Sie hat auch schon in den letzten Jahren Freiräume genossen. Die hat sie auch genutzt, sodass sie den Menschen zum Beispiel im Bildungsbereich Angebote bieten kann.

 

Die Fragen stellte Matthias Friebe.


Quelle:
DR