Bündnis gegen Extremisten in Wuppertal

"Wir haben Antworten"

Gewalt und Protest gegen Flüchtlinge – das gibt es auch an Rhein und Ruhr. So gab es am Wochenende eine Kundgebung der Partei "Die Rechte" in der Nähe eines Flüchtlingsheims in Wuppertal.

Autor/in:
Das Interview führte Uta Vorbrodt
Zeichen gegen Rechts / © Peter Endig (dpa)
Zeichen gegen Rechts / © Peter Endig ( dpa )

Etwa 30 Anhänger der Partei "Die Rechte" versammelten sich im Stadtteil Vohwinkel und demonstierten gegen Flüchtlinge und Asylbewerber. Dagegen kamen 200 Bürger zusammen, um ein Zeichen gegen rechte Hetze und für Toleranz zu setzen. Dazu sprach domradio.de mit Dr. Werner Kleine, dem Pastoralreferent der "Katholischen City-Kirche Wuppertal".

domradio.de: Vor einigen Monaten gab es die Scharia-Polizei, jetzt gibt es Kundgebungen gegen Flüchtlingsheime. In Wuppertal gibt es also beide Extreme - wie würden Sie die Atmosphäre in der Stadt beschreiben?

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent City-Kirche Wuppertal): Wuppertal hat eine ganz lange Tradition, was die Auseinandersetzung von Ideologien angeht. Das geht schon weit ins 19. Jahrhundert zurück. Wir hatten Anfang des 20. Jahrhunderts zum Beispiel auch anarchistische Gruppen hier. Wuppertal ist also eine Stadt, die in sich sehr unterschiedliche Weltanschauungen vereint. Zum Beispiel auch im religiösen Bereich, wir haben über 120 freikirchliche Denominationen. Wir haben hier eine ganz breite gemäßigte Mitte, aber an den Rändern, nach links und rechts, gibt es natürlich auch entsprechende Extreme.

domradio.de: Bei der Debatte um die Scharia-Polizei hatten Sie mit einem Mitglied Kontakt. Wie kam das?

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent City-Kirche Wuppertal): Die Scharia-Polizei ist im letzten Jahr unter großer, fast europaweiter Aufmerksamkeit ein oder zwei Tage durch Wuppertal gezogen. Kurze Zeit später wandte sich die Mutter eines Scharia-Polizisten hilfesuchend an uns als katholische City-Kirche. Ich habe sie dann zusammen mit ihrem Sohn eingeladen, es war auch ein Vertreter der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz dabei. Wir sind ins Gespräch darüber gekommen, was diesen Jungen Mann überhaupt bewegt hat, sich der Scharia-Polizei anzuschließen. Mich persönlich hat es erst einmal gewundert, dass der junge Mann überhaupt gekommen ist. Ich habe vor mir einen jungen Mann gehabt, der mal katholisch war, mit dem christlichen Glauben aber nichts anfangen konnte und in die Fänge von Salafisten geraten ist und sich von denen hat bepredigen lassen. Was er für Islam hält, haben wir schnell herausgefunden, ist nicht wirklich der Islam, es ist alles nicht besonders gefestigt, sondern ein sehr einfaches Weltbild, das dahinter steckt. Es stellte sich auch heraus, dass ich mehr aus dem Koran kannte als der junge Mann. Was diese Salafisten den Leuten anbieten - die Scharia-Polizei gehört ja in diesen Bereich - ist ein sehr einfach gestricktes Weltbild, das Menschen, die haltlos sind, sehr schnell Halt und Gemeinschaft bietet. Ich selbst habe mich dann gefragt, warum wir das als Kirche nicht schaffen. Offenkundig finden wir keinen Zugang, weil wir uns selbst in uns verschließen. Die Jugendlichen werden abgefangen auf den Schulhöfen, auf der Straße, da sind diese Leute wie die Salafisten, aber auch die Rechten. Sie greifen sich die Jugendlichen ab, die auf der Suche nach einem Sinn im Leben sind, und beantworten komplizierte Fragen mit zu einfachen Antworten.

domradio.de: Wie geht man mit solchen extremen Gruppierungen um und was kann die Kirche tun?
 
Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent City-Kirche Wuppertal): Ich glaube, dass wir die offene, intellektuelle Konfrontation suchen müssen. Das ist das, was ich dann auch mit dem jungen Mann von der Scharia-Polizei gemacht habe. Wir haben als Kirche ein ganz großes Problem: Wir scheuen uns, Antworten auf Fragen zu geben. Wir fangen dann an, ausweichend zu antworten oder wir sind alles nur Suchende. Ich denke aber, wir haben als christliche, gerade auch als katholische Theologen Antworten auf die Fragen der Welt. Die mögen nicht jedem schmecken, die mögen von manchen abgelehnt werden, aber wir haben Antworten auf diese Fragen. Bei diesem jungen Mann aus der Scharia-Polizei war der Knackpunkt, dass ihm niemand, auch sein Pfarrer nicht beantworten konnte, warum Jesus Christus von Christen als Sohn Gottes verehrt wird. Das halte ich gelinde gesagt für ein Armutszeugnis, wenn ein Pfarrer oder ein normaler Katholik nicht erklären kann, warum Jesus Christus für uns der Sohn Gottes ist.
 
domradio.de: Aber es gibt ja auch die andere Seite, so gab es ja bei der Kundgebung der Rechten vor dem Flüchtlingsheim auch eine große Gegendemonstration. Macht Ihnen das Hoffnung?

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent City-Kirche Wuppertal): Auf jeden Fall. Es gibt hier in Wuppertal schon seit geraumer Zeit einen Zusammenschluss der  gemäßigten Kräfte, der Kräfte der gesellschaftlichen Mitte. Da sind die Kirchen dabei, aber auch die Gewerkschaften. Es gibt die Initiative für Demokratie und Toleranz, bei der auch die katholische Kirche Mitglied ist. Da wird schon sehr schnell immer geguckt, wenn entsprechende Aktivitäten extremistischer Gruppierungen bekannt werden, wie man darauf reagieren kann. So war das auch jetzt in Vohwinkel: Es wird meistens sehr schnell bekannt, wenn die Rechten irgendwelche Aktivitäten planen. Dann werden sehr schnell die Kräfte der gemäßigten Mitte zusammenholt und bisher war es dann auch immer so, dass wir planmäßig auf jeden Fall in der Überzahl sind.


Quelle:
DR