Gemeindereferentin entsetzt über Kritik am Kirchenasyl

"Ein Stück Heimat und Schutz"

Die Kölner Gemeindereferentin Marianne Arndt kennt sich aus mit Kirchenasyl. Mehreren Familien konnte sie dabei in der Vergangenheit helfen. Sie ist entsetzt über die Äußerungen des Innenministers.

Kirchenasyl / © Kirchenasyl: Aktuell 200 Fälle in Deutschland
Kirchenasyl / © Kirchenasyl: Aktuell 200 Fälle in Deutschland

domradio.de: Sie haben von 1997 bis 2003 mehrere Familien im Kirchenasyl begleitet und prüfen zurzeit einen weiteren Fall. Was hätten vor diesem Hintergrund die von de Maizière angeregten Änderungen für betroffene Flüchtlinge im Kirchenasyl ganz konkret für Folgen?

Marianne Arndt (Gemeindereferentin von Sankt Clemens und Mauritius Köln-Mülheim): Ich bin entsetzt und auch ein wenig schockiert. Wir konnten damals in dem Fall des Kirchenasyls feststellen, dass es ganz wichtig war, dass wir die Menschen aufgefangen haben, dass noch einmal alle rechtlichen Möglichkeiten, alle Gegebenheiten noch einmal genau geprüft werden konnten und dadurch die Familie - wohl nach einem langen Prozess, aber nach einem guten Prozess  -jetzt etabliert in Deutschland lebt und befreit von den Ängsten ist.

domradio.de: Wenn Familien jetzt als untergetaucht eingestuft würden, was würde das denn genau für sie heißen?

Arndt: Das würde für sie bedeutet, dass sie in noch viel viel größerer und massiverer Angst leben müssen als sie sowieso schon leben. Das heißt die Traumatisierung, die die Flüchtlinge eh noch haben, würde so wachsen und steigen, dass es kaum haltbar ist.

domradio.de: Was sagen Sie denn zu dem Vorwurf, das Handeln der Kirchen untergrabe das Handeln des Staates?

Arndt: Dem kann ich überhaupt nicht zustimmen. In dem Fall, wo ich damals über Jahre Kirchenasyl durchgeführt habe, waren wir immer in einem offenen transparenten Dialog. Der Staat wusste, wo die Familie ist. Wir hatten damals sogar die Möglichkeit, dass die Kinder zur Schule gehen konnten und es war klar, wir sind als Christen der Botschaft des Evangeliums verpflichtet und den Menschen verpflichtet, die wirklich in existenzieller Not sind.

domradio.de: Nun gibt es aber von staatlicher Seite die Härtefallkommission, die speziell dafür eingerichtet worden ist, tragische Einzelfälle noch einmal zu prüfen? Reicht das denn nicht aus?

Arndt: Nein. Die Härtefallkommission kenne ich ja aus der damaligen Zeit noch sehr gut, aber die Härtefallkommission arbeitet nicht in der Geschwindigkeit wie eine Abschiebung heute durchgeführt wird. Insofern reicht das von hinten bis vorne nicht. Es ist gut, dass es die Härtefallkommission gibt. Sie machen auch eine gute Arbeit, aber genau da passt das Element des Kirchenasyls hin, wo die Menschen noch einmal ein Stück Heimat und Schutz finden und um der Härtefallkommission auch die Zeit zu geben, die sie brauchen, ihre Arbeit verantwortungsvoll zu machen.

domradio.de: Die Grünen-Politiker Sven Giegold und Katrin Göring-Eckart haben in einem kritischen Brief Stellung bezogen zu De Maizières Äußerungen und verteidigen darin "das Kirchenasyl als christliche Form zivilen Ungehorsams", die Respekt verdient. Würden Sie das so unterschreiben?

Arndt: Im Grunde genommen würde ich es schon unterschreiben. Es ist sicher in gewisser Weise eine Form des zivilen Ungehorsams, aber ich weiß gar nicht, ob ich es so krass sehen würde. Aber es ist schon von unserer Situation der Botschaft des Evangeliums, der wir den Menschen getreu sein müssen, eigentlich unsere christliche Verpflichtung da Menschen in Not, wo wir vorher auch geprüft haben, wirklich zur Seite zu stehen und wenn es denen um Leib und Leben geht, sie zu schützen.

domradio.de: Grünen- und SPD-Politiker auf Seiten der Kirchen, während aus der Union die massive Kritik am Kirchenasyl kommt. Zeichnen sich da künftige Allianzen ab?

Arndt: So weit möchte ich nicht gehen. Das vermag ich nicht zu sagen. Es stimmt mich sehr traurig als Seelsorgerin in der katholischen Kirchengemeinde, dass die Partei, die das "C" sich vorne dran schreibt, der Botschaft des Evangeliums meines Erachtens in den Rücken fällt bzw. sie in Frage stellt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

 

Marianne Arndt / © privat
Marianne Arndt / © privat
Quelle:
DR