Gauck wird 75 Jahre

Begnadeter Redner

Nazi-Herrschaft, DDR und BRD, das vereinte Deutschland: Bundespräsident Gauck hat all das erlebt - am Samstag wird er 75 Jahre. Glückwünsche gab es auch von Kardinal Marx. 

Autor/in:
Christoph Scholz
Gauck in Leipzig  (dpa)
Gauck in Leipzig / ( dpa )

Für ein deutsches Staatsoberhaupt ist das Alter von 75 Jahren eher selten. Bundespräsident Joachim Gauck wird diese Schwelle am Samstag überschreiten, seine Amtszeit währt noch bis 2017. Trotz seiner Jahre ist es Gauck gelungen, stärker als mancher seiner Vorgänger Debatten anzuregen. Und er hat dem durch die Causa Wulff beschädigten Amt wieder Respekt und Integrationskraft verliehen. 

Der ehemalige evangelisch-lutherische Pastor ist ein begnadeter Redner, der seinen Auftritt auch mal staatsreligiös aufzuladen weiß. Mit sonorer Stimme und klaren Worten weiß er Menschen für sich einzunehmen. Als Staatsoberhaupt scheint er seine späte Berufung gefunden zu haben.

Mehrheit im zweiten Anlauf

Ihm kommt zugute, dass kaum ein Bundespräsident sich von vornherein auf eine so breite Mehrheit stützen konnte. Allerdings erst beim zweiten Anlauf. Schon 1999 hatte ihn die CSU ins Gespräch gebracht, 2010 wurde er dann von SPD und Grünen - vergeblich - ins Rennen geschickt. Schließlich drückte ihn 2012 die FDP gegen CDU-Chefin Angela Merkel als Kandidat der Koalition durch - vielleicht scheute Merkel das unberechenbare Charisma. Nur die Linke und die NPD versagten ihm ihre Zustimmung. Die Antipathie der PDS-Nachfolgepartei dürfte sich seither noch vertieft haben. Gaucks Vorbehalte gegen Bodo Ramelow als erstem Ministerpräsidenten der Linkspartei und seine scharfen Worte gegen die russische Außenpolitik trugen dazu bei.

Gauck sieht sich als Hüter der Freiheit in der großen Tradition des Westens von der Französischen Revolution bis zu Vaclav Havel. Er sei ein Bürger, der Verantwortung übernehme - eine Verpflichtung, die "aus dem Glück der Freiheit" erwachse, meinte er einmal. Mit der Aussage, dass es dieses Menschenrecht notfalls mit Waffen zu verteidigen gelte, löste Gauck eine erhitzte Debatte aus. Ebenso mit seiner Forderung, Deutschland solle mehr außenpolitische Verantwortung übernehmen. Auch sorgte er für einen Eklat, als er bei einer Türkeireise dem damaligen Regierungschef Recep Erdogan Demokratiedefizite vorwarf.

Geprägt von DDR-Unterdrückung 

Gauck bezieht seine Überzeugungskraft aus einem staatsbürgerlichen Sendungsbewusstsein, das er biografisch herleitet. Die Sowjets verschleppen 1951 seinen Vater für fünf Jahre nach Sibirien. Nach dem Abitur verwehrte ihm das SED-Regime ein Germanistikstudium. Als einzige Geisteswissenschaft stand ihm die Theologie offen. Zunächst in Lüssow, seit 1971 im Rostocker Plattenbau-Stadtteil Evershagen zog er sich rund 20 Jahre lang allsonntäglich den Predigertalar über.

Gauck zeigte Distanz zur SED-Diktatur, fuhr aber keinen Konfrontationskurs. Erst Ende 1989 schloss er sich der Protestbewegung an, 1990 vertrat er das "Neue Forum" in der frei gewählten Volkskammer. Mit seinem Namen verband sich später die Behörde zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts, die "Gauck-Behörde" für die Stasi-Akten, die er zehn Jahre lang leitete.

Liberaler Theologe

Seine frühere Tätigkeit als Pastor mag ihn zunächst zur Zurückhaltung beim Thema Religion bewogen haben. Inzwischen äußert er sich dazu ebenso unbefangen wie seine protestantisch geprägten Vorgänger Heinemann, von Weizsäcker oder Rau. Auch sie handelten aus der Überzeugung, dass der säkulare Staat Religion nicht nur verträgt, sondern dass sie ihm gut tut. Dabei nimmt Gauck immer wieder den Linksprotestantismus aufs Korn, erlaubt sich aber auch, der katholischen Kirche ein Drittes Vatikanisches Konzil zu empfehlen. 

Im Privatleben folgt Gauck einem liberalen Freiheitsverständnis. Nach 1989 verließ er seine Frau Hansi und ging eine Beziehung mit der Journalistin Helga Hirsch ein. Nun ist er seit längerem mit Daniela Schadt zusammen. Das Protokoll des Präsidialamts verzeichnet somit erstmals eine "Lebensgefährtin" des Bundespräsidenten. Für manchen Konservativen war das ein Grund des Anstoßes. Gauck vermochte dieser wie anderer Kritik immer wieder mit Charme zu begegnen. Der politische Quereinsteiger hat ein außergewöhnliches Gespür für öffentliche Wirkung und Stimmung - was ihm bisweilen auch den Vorwurf des Populismus einbringt. Solange ihn dieses Gespür nicht verlässt, kann er sich weiterhin seiner Popularität gewiss sein.

Glückwünsche von Marx 

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat Bundespräsident Joachim Gauck zu dessen 75. Geburtstag gratuliert. Die Kirche sei dem Bundespräsidenten dankbar für die Debatten, die er in Deutschland mitbestimme. "Dabei denke ich auch an Ihre besonnenen, aber unmissverständlichen Aufrufe zu Toleranz und Solidarität in der Gesellschaft und zwischen den Religionen", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in einem am Samstag publizierten Schreiben. "Ihr öffentliches christliches Bekenntnis und Ihre Wahrnehmung der Kirchen als Stimmen in politischen Diskussionen wissen wir zu schätzen."

In Zeiten, in denen oft Orientierungslosigkeit vorherrsche, ermutige Bundespräsident Gauck die Bürgerinnen und Bürger den Blick nach vorne zu richten, so Marx weiter. "Ihre Umsicht, politische Erfahrung und menschliche Nähe zeichnen Sie in besonderer Weise aus", schreibt der Kardinal.


Quelle:
KNA , dpa