Publizist Püttmann über rechtskonservative Christen

Schwarz-rot-goldene Kreuze

Die Mehrheit der Christen lehnt laut Publizist Andreas Püttmann die Pegida-Bewegung ab. Warum manche Christen jedoch anfällig für "schwarz-rot-goldene Kreuze" werden, erklärt der katholische Politikwissenschaftler.

Pegida-Protest in NRW (dpa)
Pegida-Protest in NRW / ( dpa )

domradio.de: Ist Pegida einfach ein Phänomen einer neuen rechten Bewegung in Deutschland?

Andreas Püttmann (Publizist und Politikwissenschaftler): Wenn man die Anhänger fragt, wo sie sich politisch selbst verorten, sagt zwar nur ungefähr ein Drittel "rechts", und die Hälfte sieht sich in der Mitte. Wenn man aber nach der parteipolitischen Affinität fragt, stellt man fest, dass über 80 Prozent bei einer Bundestagswahl AfD wählen würden. Dann kann man schon von einer rechten Orientierung sprechen. Es kommen zwar auch ein paar Zuläufe von der Linken, also der SPD und der Linkspartei, aber das bewegt sich so zwischen 10 und 20 Prozent der Teilnehmer.

Was auch für eine rechte Einordnung spricht, ist die Demokratie- und die Parteienkritik. Das ist an sich sehr gut bekannt, auch schon aus der Weimarer Republik, dass man von "Systemparteien" und von "Systemmedien" spricht. 70 Prozent der Pegida-Anhäger glauben, dass die Demokratie bei uns nicht gut funktioniert. Dabei sind wir ja nun wirklich im weltweiten Maßstab gesehen eine Demokratie, die als Musterdemokratie betrachtet wird. Besonders die Hetze gegen Personen - bestimmte Politiker sind noch verhasster als Parteien - ist auch typisch, also dass sich das so stark personalisiert. Das gab es auch in der Weimarer Republik, nachher bis hin zu Mordanschlägen.

Von den politischen Werten her dominieren "Recht und Ordnung", nationales Interesse und übrigens auch die traditionelle Familie, das sind Ziele, die eher auf der politischen Rechten zu verorten sind.

domradio.de: Inwieweit gibt es Schnittmengen mit christlichen, mit katholischen Milieus und Kreisen?

Püttmann: Die gibt es. Zunächst einmal muss man zwar sagen, dass die AfD unterdurchschnittlich von Christen gewählt wird und dass bei einer Umfrage, welche Personengruppe man nicht gern als Nachbarn hätte, die regelmäßigen Kirchgänger viel weniger als die Kirchenabstinenten die Muslime nennen, also weniger Vorbehalte haben mit Muslimen in Nachbarschaft zu leben. Der christliche Mehrheitstrend geht ganz klar von Pegida weg.

Aber es gibt am rechten Rand beider Konfessionen - ohne dass ich das jetzt quantifizieren könnte - ein Potential, durchaus auch Prominente, die etwa schon seit längerer Zeit mit der rechtskonservativen Zeitung "Junge Freiheit" zusammenarbeiten, als Publizisten dort schreiben oder für diese Zeitung werben. Man sieht auch in bestimmten Internetforen, dass die AfD und die Pegida-Bewegung mit Sympathie betrachtet werden.

Meistens identifiziert man sich nicht offen damit, sondern kritisiert die Kritiker der Pegida, unterstützt also auf eine indirekte Weise, weil man sich nicht so ganz aus der Deckung traut. Hier gibt es eine Überwölbung des Christlichen durch das Konservative. Was für linke Christen früher Atomkraft, Startbahn West und Nachrüstung waren, das ist für rechte Christen heute Familie, Vaterland, Islamkritik. Es ist eine Politisierung des Christentums zu beobachten, wo eigentlich kaum noch über Glaube gesprochen wird, sondern über politische Inhalte und wo die Anthropozentrik des Christentums, also die Orientierung auf die Würde des Einzelmenschen hin, etwas in Vergessenheit gerät gegenüber dem Postulat des Christentums als einer gesellschaftlichen Ordnung nach bestimmten Vorstellungen, die dann mit Gottes Willen identifiziert werden.

domradio.de: Lässt sich so auch erklären, dass Katholiken, die eine gewisse Verunsicherung verspüren, auch bei Pegida dabei sind und nicht nur Menschen, die vielleicht ein rechtes Gedankengut in sich tragen?

Püttmann: Selbstverständlich sind nicht alle Rechtsradikale und nicht mal Rechtskonservative. Es ist ja nun nicht so, dass der Islam nicht auch als Bedrohung wahrgenommen werden könnte angesichts der Nachrichtenflut von islamistischen Gewalttaten auf der ganzen Welt, die uns berichtet werden. Hinzu kommt, dass in diesem Schrumpfungsprozess, in dem sich die Kirchen in Deutschland und in Europa befinden, sich natürlich eine gewisse Frustration aufbaut, die zur Radikalisierung führen kann und dass man dann auch weniger wählerisch wird mit Verbündeten.

Insofern ist es durchaus auch verständlich, dass manche, die so die christlichen oder katholischen Felle wegschwimmen sehen, sich dann umschauen und dann anfällig werden für Bündnisse mit Leuten, die schwarz-rot-goldene Kreuze mit sich herumtragen.

Obwohl man wirklich sagen muss, dass das Christentum eine übernational ausgerichtete Religion ist. Für Christen ist der Nächste eben nicht der Volksgenosse, sondern der Notleidende, übrigens auch der Flüchtling und allenfalls auch der christliche Bruder oder die christliche Schwester.

Das Interview führte Matthias Friebe.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR