Dresdens Bischof Koch zum Umgang mit Pegida

"Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen"

Das Pegida-Bündnis wächst: Am Montag protestierten in Dresden über 25.000 Menschen gegen eine angebliche Überfremdung. Dresdens Bischof Heiner Koch sucht im domradio.de-Inteview nach Lösungen in einer "wirklichen Zwangslage".

Bischof Heiner Koch  (dpa)
Bischof Heiner Koch / ( dpa )

domradio.de: Politiker wie CSU-Chef Seehofer oder Justizminister Maas werfen den Pegida-Anhängern vor, die Opfer aus Frankreich zu missbrauchen. Wie sehen Sie das?

Bischof Koch: Natürlich ist die Gefahr groß, und ich sehe das genauso, dass hier ein furchtbares Ereignis demonstrativ genutzt wird. Man kann das nicht in allgemeiner Betroffenheit so stehen lassen. Natürlich greifen die Pegida-Anhänger sie es auf, weil sie sagen: "Das, was wir da erleben, ist doch genau das, wovor wir warnen - also wehret den Anfängen. Wir möchten nur darauf hinweisen, dass das eine Gefahr ist." Sie werfen den Vorwurf der Vereinnahmung zurück.

domradio.de: Am Samstag gab es in Dresden eine Gegendemo vor der Frauenkirche unter dem Motto: "Für Dresden, für Sachsen - für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander". Da sind 35.000 Menschen hingekommen. Waren Sie dabei?

Bischof Koch: Ja, ich habe mit auf der Bühne gestanden. Es war eine positive Demonstration – für Weltoffenheit und Gastfreundschaft. Es sollte ein Zeichen an die Migranten in der Umgebung sein: Wir sind offen für euch, ihr seid herzlich willkommen, wir gehören zu euch – und ihr gehört zu uns. Das war das Wichtigste. Ich bin sehr dankbar für dieses Zeichen.

Es war aber auch ein Zeichen an ganz Deutschland: Dresden ist nicht das Mekka geschweige denn das Zentrum der Pegida-Bewegung und der Migranten-Feindlichen. Aber das Pegida-Problem konnten wir damit nicht lösen. Die Pegida-Anhänger sagen: "Alles, was ihr uns an unserem Verhalten gegenüber Ausländern vorwerft, ist das was ihr mit uns macht – ihr grenzt uns aus, ihr diskriminiert uns. Wir können hundertmal sagen, dass wir nicht ausländerfeindlich sind. Das wollt ihr aber nicht hören."

Wir stehen vor dem großen Problem, wie wir mit dieser doch nicht kleinen Zahl von Menschen umgehen. Die Menschen reisen ja inzwischen aus dem ganzen Bundesgebiet hier nach Dresden. Wir müssen auch mit denen ins Gespräch kommen, wir dürfen sie nicht ausgrenzen, diese Menschen haben inzwischen ein enormes Sendungsbewusstsein. Die sagen ja: "Eure Ablehnung zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind".

domradio.de: Was kann Kirche tun?

Bischof Koch: Wir sind in einer wirklichen Zwangslage. Einerseits ist völlig klar: Migranten haben hier vor dem Hintergrund unseres Menschenbildes Platz und gehören zu uns. Von dieser Aussage können wir als Christen keinen Millimeter abweichen. Nach Einschätzung der Fachleute sind 80 Prozent der Pegida-Demonstranten keine Rechtsradikalen, sondern Menschen, die sich von der Gesellschaft nicht mehr verstanden fühlen. Die glauben, sie dürften in unserer Gesellschaft gar nicht mehr ihre Meinung äußern, sie wollen auch zur Kenntnis genommen werden. Sie fühlen sich ausgegrenzt.

Wir versuchen den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Wir müssen uns alle fragen, wie wir mit einer Gesellschaft umgehen, in der es extreme Meinungen nach allen Seiten gibt, und wie wir mit den umgehen, die sich als Verlierer der Gesellschaft fühlen und das durch Pegida zum Ausdruck bringen wollen. Das Dilemma ist unendlich groß.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR