Caritas International zur Visumspflicht für Syrer im Libanon

"Zuflucht viel schwieriger"

Knapp vier Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien führt der Libanon eine Visumspflicht für Syrer ein. Vera Jeschke von Caritas International erklärt bei domradio.de die schwerwiegenden Folgen für die Flüchtlinge.

Der Libanon ist besonders vom Bürgerkrieg betroffen  (dpa)
Der Libanon ist besonders vom Bürgerkrieg betroffen / ( dpa )

domradio.de: Was bedeutet diese Visumspflicht genau?

Jeschke: Sie bedeutet, dass es für syrische Flüchtlinge erneut viel schwieriger wird, Zuflucht im Libanon zu finden. Die libanesischen Sicherheitsbehörden hatten schon im vergangenen Jahr die Einreise für syrische Flüchtlinge verschärft und erschwert. Mit dieser offiziellen Visumspflicht wird hier erneut ein Riegel vorgeschoben, um den Zustrom syrischer Flüchtlinge zu mindern.

domradio.de: Eine Million syrische Flüchtlinge leben derzeit im Libanon, das entspricht einem Fünftel der Bevölkerung. Wie integriert sind denn diese Flüchtlinge in dem Land?

Jeschke: Wir reden von 1,2 Millionen registrierten Flüchtlinge in einem wirklich kleinen Land. Überall - auf den landwirtschaftlichen Flächen, am Rande der Siedlungen - sieht man syrische Flüchtlinge, die Zelte aufgestellt haben oder in Bauruinen wohnen. Die Städte sind von syrischen Flüchtlingen bevölkert. So ein kleines Land kann diese enorme Anzahl überhaupt nicht integrieren - und schon gar nicht bei diesem sehr schnellen Zustrom im Jahr 2014. In dem Jahr haben sich die Zahlen extrem erhöht. Das kann kein Land schultern.

domradio.de: Wie funktioniert denn dann der Alltag im Libanon, wenn die Flüchtlinge eine so enorme Belastung darstellen?

Jeschke: Der Alltag funktioniert irgendwie - auch wenn natürlich die syrischen Flüchtlinge ein großes Leiden tragen. Das betrifft nicht nur das Leiden der Flucht, die Traumatisierungen, die Verluste. Es gibt auch ein Leiden im Alltag. Sie können kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Ende 2014 hat das Welt-Ernährungs-Programm aufgrund von Mittelknappheit die Gutscheine für Nahrungsmittel drastisch reduziert. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ist in der Syrienkrise unterfinanziert und verteilt im Libanon keine Hygieneartikel mehr. Die Menschen haben große Not ihren Alltagsbedarf an Grundhygiene-Artikeln irgendwie zu decken. Sie haben großen Mangel an Unterkunft. Die Mieten sind zu teuer. Es sind auch einfach zu viele Menschen da.

Wir haben im aktuellen Schuljahr gekämpft, weil syrische Flüchtlingskinder nicht mehr in öffentliche Schulen zugelassen wurden. Mittlerweile hat der libanesische Bildungsminister das wieder aufgehoben. Er hat sogar neu zugesagt, dass viel mehr syrische Kinder in die öffentlichen Schulen dürfen. Es gibt Lichtblicke, aber es gibt zu großen Teilen auch eine ungelöste Versorgungssituation der syrischen Flüchtlinge.

domradio.de: Was passiert mit den Flüchtlingen, die nun an der syrischen Grenze abgewiesen werden?

Jeschke: Vermutlich werden sich - ähnlich wie an der syrisch-jordanischen Grenze - entlang der Grenze informelle Ansammlungen von Flüchtlingen bilden. Die syrisch-libanesische Grenze verläuft überwiegend in den Bergen. Wir haben aktuell Schneefall und Regen. Der Libanon ist kalt und unwirtlich, vor allem in den Bergen. Und wenn die Menschen dort oben in den Bergen stranden, teilweise auf Höhen von über 1000 Metern, kann man sich vorstellen, welche Gefahren das für die syrischen Flüchtlinge bergen kann.

Das Interview führte Christian Schlegel.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR