Bundespräsident und Kirchen appelieren an die Deutschen

Weltoffenheit wagen

Bundespräsident Joachim Gauck hat angesichts vieler internationaler Krisen zu Hilfsbereitschaft und einem entschiedenen Eintreten für eine offene Gesellschaft aufgerufen. Die Kirchen erinnern an den Flüchtling Jesus.

Bundespräsident Gauck (dpa)
Bundespräsident Gauck / ( dpa )

Angesichts des wachsenden Zulaufs zur islamkritischen "Pegida"-Bewegung mahnt Bundespräsident Joachim Gauck die Deutschen zu Hilfsbereitschaft und entschiedenem Eintreten für eine offene Gesellschaft. In seiner vorab verbreiteten Weihnachtsansprache lobte er, "dass die allermeisten von uns nicht denen folgen, die Deutschland abschotten wollen".

Ein deutliches Zeichen für die Menschlichkeit in unserer Gesellschaft sehe er darin, so Gauck, "dass es mittlerweile so viel Bereitschaft gibt, Flüchtlinge aufzunehmen. Vor wenigen Tagen erst habe ich einen Verein in Magdeburg besucht, der sich um minderjährige Flüchtlinge kümmert, die ohne Familie in Deutschland gestrandet sind. Dass wir mitfühlend reagieren auf die Not um uns herum, dass die Allermeisten von uns nicht denen folgen, die Deutschland abschotten wollen, das ist für mich eine wahrhaft ermutigende Erfahrung dieses Jahres."

Marx warnt vor Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien

Kurz vor Weihnachten haben auch die christlichen Kirchen Kritik an der Pegida-Bewegung und besonders an deren Berufung auf das christliche Abendland geäußert. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sprach mit Blick auf die Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen von einer "Verunsicherung, ja Verstörung" über die derzeit herrschenden Krisen weltweit. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz kritisierte zugleich, dass darauf oft mit "Vereinfachungen, Schuldzuweisungen, Verschwörungstheorien, politischen Ressentiments" reagiert werde. Die Probleme könnten nicht nur durch Demonstrationen, Talkshows, öffentliche Rechthaberei und Debatten gelöst werden. Notwendig ist nach Ansicht von Marx vielmehr eine Besinnung auf die Weihnachtsbotschaft, dass jeder Mensch ein Abbild Gottes sei und dass dieser Gott in Jesus der Bruder aller Menschen sei.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte, das christliche Europa habe die Aufgabe, seinen Umgang mit Flüchtlingen "so neu zu ordnen, dass kein Mensch mehr im Mittelmeer ertrinken muss". Europa müsse "zu einer Kraft in der Welt werden, die mit fairen Handelsbeziehungen und internationalen Beziehungen auf Augenhöhe dazu beiträgt, dass Menschen nicht mehr fliehen müssen".

Woelki: "Auch Jesus war ein Flüchtling"

Mit einer Weihnachtskarte ruft der Kölner Kardinal Rainer Woelki dazu auf, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Die Karte trägt den Titel "Es ist wieder Zeit die Herzen zu öffnen". Sie soll nach Angaben des Erzbistums in den Weihnachtsgottesdiensten an die Gläubigen verteilt werden. Auf der Vorderseite der Karte befindet sich ein rotes Herz mit einem kleinen Türchen - wenn man das öffnet, sieht man das Jesuskind, das auf der Innenseite abgebildet ist. Öffnet man die Karte, liest man: "Auch Jesus war ein Flüchtling. Öffnen Sie Ihr Herz für unsere neuen Nachbarn!" Woelki appelliert an die Gläubigen, eine "Willkommenskultur" für Flüchtlinge zu schaffen. Die Weihnachtsgeschichte zeige, dass auch Jesus ein Flüchtling gewesen sei - was Christen in besonderem Maße zum Handeln verpflichte.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck mit scharfen Worten öffentliche Proteste gegen eine vermeintliche Überfremdung der Gesellschaft. "Das Boot ist lange noch nicht voll. Es ist absurd zu behaupten, dass Justiz, Kultur und Politik hierzulande vor einer Islamisierung stünden", sagt der Bischof des Bistums Essen in seiner Weihnachtsbotschaft. Seit Wochen folgen Tausende dem Aufruf des Bündnisses "Pegida" und protestieren gegen eine angebliche "Überfremdung" Deutschlands. Overbeck nennt die Rituale der Angst und Hetze "beschämend". Millionen Menschen müssten vor Terror und Unterdrückung fliehen, verlören ihren Besitz, ihre Familie und ihre Heimat. "Wir sind eine integrationsfähige Gesellschaft, in der wir Christen helfen, Raum zu schaffen für Solidarität und für die Achtung der Würde aller Menschen", sagte der Bischof. Er rief die Christen zu einer vorbehaltlosen Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen auf.

Bode: Willkommenskultur schaffen

Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode rief zu einer Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen auf. "Wer bereit ist, die Menschen, die zu uns kommen, wirklich näher kennenzulernen, kann viele Vorurteile in Zuwendung wandeln", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Osnabrück. Nach seiner Ansicht wird Migration in Deutschland über lange Zeit "ein alles durchdringendes Thema bleiben".

Zur Unterstützung von Flüchtlingen in Deutschland rief der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann, auf. Flüchtlinge seien keine Bedrohung, sondern "bereichern uns", betonte der Speyerer Bischof.

Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige kritisierte eine Instrumentalisierung des christlichen Abendlandes durch Pegida. Gerade wer sich auf christliche Werte berufe, sei aufgefordert, "diejenigen, die zu uns kommen, nicht als Fremde zu betrachten, sondern als unsere Schwestern, als unsere Brüder", sagte Feige.

Koch: "seelische und religiöse Leere"

Dresdens katholischer Bischof Heiner Koch sieht in der asylkritischen Pegida-Initiative einen "tiefen Ausdruck seelischer und religiöser Leere". Er beobachte bei vielen Demonstranten vorrangig eine Angst vor Heimatverlust, sagte Koch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dem sei letztlich nicht mit politischen Argumenten zu begegnen.

Zugleich warf der Bischof den Pegida-Initiatoren vor, die Weihnachtsbotschaft zu instrumentalisieren. "Ich bin überzeugt, dass hinter dem Singen christlicher Weihnachtslieder bei der Pegida-Demonstration oft nicht der christliche Glaube stand", so Koch. "Den Glauben, der das christliche Abendland prägte, kennen hier die meisten Menschen nicht."

 


Quelle:
KNA , dpa