Gewalt im Nahen Osten - Ein Interview mit Kamal Sido, Gesellschaft für bedrohte Völker

"Den Iran ins Boot holen"

Bei der Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat will sich der Iran mit einer Konferenz mit dem Namen "Gemeinsam gegen Gewalt und Extremismus" profilieren. Dazu Dr. Kamal Sido von der Gesellschaft für bedrohte Völker im domradio.de-Interview.

Peschmerga kämpfen im Irak gegen den Islamischen Staat. (dpa)
Peschmerga kämpfen im Irak gegen den Islamischen Staat. / ( dpa )

domradio.de: Sind von dieser Konferenz - an der immerhin Vertreter aus mehr als 40 Staaten, unter anderem Syrien und Irak, teilnehmen - wirklich Ergebnisse zu erwarten oder ist sie mehr ein Symbol?

Sido: Ich glaube, das ist mehr ein Symbol. Der Iran will zeigen, dass er der erste Staat im Nahen Osten ist, der gegen die Terrormiliz Islamischer Staat kämpft. Ich kann dazu nur sagen, dass die zivile Bevölkerung im Nahen Osten - vor allem in Syrien und im Irak und allen voran die Minderheiten der Christen und Kurden - unter der Rivalität zwischen dem Iran einerseits und der Türkei, Saudi-Arabien und dem Westen andererseits leidet.  

domradio.de: Politische Differenzen würden den IS immer weiter stärken, das sagt auch Irans Präsident Ruhani. Ist das denn wirklich so oder warum kann die Terrormiliz weiter so wüten, wie sie es tut?

Sido: Diese Terrormiliz wird seit vielen Jahren unterstützt. Seit mindestens zwei Jahren kämpfen die Kurden in Syrien ganz alleine gegen den IS in der Region Afrin und in Kobane. Und Staaten, die sich paradoxerweise in der westlichen Anti-Terror-Allianz befinden, unterstützen den Terror logistisch oder haben ihn zumindest geduldet - vor allem die Türkei und Katar. Es kann nicht sein, dass diese Staaten in der Allianz sind, den IS aber nur halbherzig bekämpfen.  

Wir meinen, dass es eine Koordinationen zwischen den Regierungen geben muss, die die Terrormiliz wirklich bekämpfen. Vor allem mit den Opfern - Kurden, Schiiten, Christen - aber auch mit dem Iran muss geredet werden. Aber die Amerikaner haben das Problem, dass es keine Einigung im Atomstreit gibt, und sie wollen natürlich die sunnitischen Mächte in der Region nicht ärgern, damit die den IS nicht weiter unterstützen.  

domradio.de: Was muss denn Ihrer Meinung nach jetzt dringend passieren?

Sido: Die Rivalität zwischen den Regierungen auf dem Rücken der Zivilbevölkerung im Nahen Osten muss aufhören. Es muss mit allen geredet werden. Die Amerikaner reden mit dem Iran über den Atomstreit, sie müssen es auch über den IS tun. Es kann nicht sein, dass die Amerikaner die ganze Zeit versuchen, Erdogan auf die Seite der Allianz zu ziehen. Das ist grundsätzlich gut, aber Erdogan verfolgt die gleichen Ziele wie der IS. Der Iran muss ins Boot geholt werden. Wir kritisieren außerdem die Menschenrechtsverletzungen im Iran, vor allem gegen religiöse Minderheiten wie Christen und Kurden.


Quelle:
DR