CSU-Leitantrag zur deutschen Sprache

"Ich dachte, ich höre nicht richtig"

In einem Antrag für den Parteitag hatte die CSU zunächst gefordert, Einwanderfamilien sollten zu Hause Deutsch sprechen. Engin Sakal, Geschäftsführer des Landesintegrationsrates NRW, findet das "undemokratisch und absolut daneben".

Mit dem Wörterbuch am Küchentisch (dpa)
Mit dem Wörterbuch am Küchentisch / ( dpa )

domradio.de: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie zuerst von diesem CSU-Vorschlag gehört haben? 

Sakal: Zunächst habe ich gedacht, ich höre nicht richtig. Es ist eine demokratische Partei und handelt gegen die Demokratie. Zum zweiten habe ich mir überlegt, ob es in unserer Republik noch Flecken gibt, wo man die Realitäten und die Lebenswirklichkeiten nicht erkennt und wahrnimmt.

domradio.de: Das ist ein gutes Stichwort, wenn wir auf die Praktikabilität der Forderung schauen. Wie sollte denn der Staat sicherstellen, dass Familien tatsächlich am Esstisch Deutsch miteinander sprechen?

Sakal: Das ist erstens antidemokratisch, wenn der Staat tatsächlich so etwas machen sollte. Zum zweiten würden wir uns im nächsten Schritt vorschreiben lassen müssen, was wir denn in der Küche zu essen und zu besprechen haben - unabhängig von der Sprache. Ich glaube, das ist nicht im Sinne des Bürgers dieses Landes, denn wir leben immer noch in einer Demokratie. Und das ist auch gut so. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, den Bürgern vorzuschreiben, was und wie sie denn zu Hause sprechen sollen. Im Übrigen sollte vielleicht gerade in Bayern die Frage erweitert werden: Warum spricht man dann zu Hause in Bayern nicht Deutsch?

domradio.de: Wie sinnvoll ist das denn überhaupt, wenn Eltern, die vielleicht selbst erst sehr kurz in Deutschland sind, dementsprechend schlecht Deutsch sprechen, mit ihren Kindern radebrechend versuchen, Deutsch zu reden?

Sakal: Das ist absolut destruktiv. Denn es geht um die deutsche Sprache, das ist zweifellos, dass die Kinder die deutsche Sprache gut sprechen sollen. Es geht auch nicht nur um die, die vor kurzem nach Deutschland eingewandert sind, sondern es geht um alle Menschen, die muttersprachlich eine andere Sprache zu Hause haben. Es geht darum, dass die Kinder deutsch sprechen sollen und dazu sollte auch die Muttersprache genutzt werden. Denn es ist ja auch so - ich weiß nicht, ob das Vielen bekannt ist - dass in Bayern die bayerische Sprache in den Kindergärten als Mittel zum Erlernen der hochdeutschen Sprache genutzt wird. Das ist eine Doppelmoral, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann.

domradio.de: Dass Sprache ein Schlüssel zu Integration ist, das ist völlig unstrittig. Das haben Sie gerade auch noch mal selbst gesagt. Für was für eine Art von Sprachförderung treten Sie denn ein?

Sakal: Es muss definitiv so sein, egal, welche Sprache zu Hause gesprochen wird, die muss gefördert werden, damit die Kinder eben gut deutsch lernen und ihre Schulbildung entsprechend angehen können. Es gibt überhaupt keine Diskussion darüber, ob man die deutsche Sprache lernen soll. Das ist das A und O. Aber der Weg zur deutschen Sprache, darüber muss man sich unterhalten. Ich glaube, da sind die Bayern auf dem falschen Weg. Sie sollten mal in der Realität unserer Republik ankommen und etwas für unser Land tun, statt dieses Signal nach außen zu senden. Die Bayern sind diejenigen, die ihre bayerische Sprache pflegen, und das sollten sie auch weiterhin tun, und sie fordern sogar, dass ihre Sprache in der EU-Charta der regionalen Minderheitssprache aufgenommen wird, was ich auch gut finde. Wenn wir uns unsere Republik anschauen: In Deutschland wird Niederdeutsch gesprochen, Nordfriesisch, Sorbisch...das sind urdeutsche Minderheitssprachen und das ist auch in Ordnung. Deswegen ist diese Forderung absolut daneben. Da muss man einfach drüber schmunzeln und dann sagen, dieser Populismus, um möglicherweise Stimmen am rechten Rand zu fischen, das ist wirklich unter der Gürtellinie.

domradio.de: In diesen Tagen ist hier in Deutschland immer wieder von einer Willkommenskultur die Rede. Wie passt denn dieser jüngste CSU-Vorschlag mit einer solchen Willkommenskultur zusammen?

Sakal: Absolut kontraproduktiv. Mit solchen Bemerkungen werden wir mit Sicherheit nicht Menschen aus dem Ausland dazu motivieren, nach Deutschland zu kommen, dieses Land zu bereichern. Vielleicht ist es so gewollt. Das kann ich nicht beurteilen. Aber zumindest kommt der Gedanke, dass man dadurch Menschen, die vielleicht nach Deutschland kommen wollen, abschrecken möchte - und das ist nicht gut für unser Land.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter. Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR