Amtseid ohne religiöse Formel

Ramelow erster Ministerpräsident der Linkspartei

Bodo Ramelow ist Deutschlands erster Ministerpräsident der Linkspartei. Die Entscheidung ist in Erfurt bei der Wahl von Thüringens Landeschef gefallen. Der bekennende Protestant legte den Amtseid ohne die religiöse Formel "So wahr mir Gott helfe" ab.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Protestant in der Linkspartei: Bodo Ramelow (dpa)
Protestant in der Linkspartei: Bodo Ramelow / ( dpa )

Bodo Ramelow (58) ist der bundesweit erste Ministerpräsident der Linkspartei. Der Thüringer Landtag wählte ihn am Freitag in Erfurt im zweiten Wahlgang zum Chef der neuen Landesregierung im Freistaat. Ramelow steht nun einer rot-rot-grünen Landesregierung vor. Dagegen hatte es im Vorfeld bundesweit Proteste gegeben. Kritiker werfen der Linken vor, ihre SED-Vergangenheit nicht ausreichend aufgearbeitet zu haben.

Der bekennende Protestant Ramelow legte vor dem Parlament den Amtseid ohne die religiöse Formel "So wahr mir Gott helfe" ab. Ungeachtet dessen kündigte er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) an, mit ihm ziehe "eher mehr Glauben und mehr Religion in die Staatskanzlei" ein als bei der Vorgängerregierung unter Leitung der ehemaligen Pastorin Christine Lieberknecht (CDU). Er sei evangelischer Christ und gleichzeitig "in dem Themengebiet des interreligiösen Dialogs engagiert unterwegs". 

Der Regierungschef habe "besondere Sorge" dafür zu tragen, dass es bei Glaubensfreiheit und Religionsausübung zu keinerlei Einschränkungen komme, sagte Ramelow. "Ein Angriff auf Religionen ist immer ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft." Ramelow betonte, bei ethische Grundfragen wie in der Debatte um Sterbehilfe und Palliativmedizin seien die Religionsgemeinschaften "wichtige Mahner". Zudem lobte er das in Thüringen "hoch entwickelte, sehr gute Verhältnis" zwischen den Kirchen und der Landesregierung sowie dem Landtag. Insbesondere bei extremistischen Ausschreitungen oder Demonstrationen zeigten alle Parteien und Religionsgemeinschaften gemeinsam dagegen Flagge.

In seiner Antrittsrede als Ministerpräsident dankte Ramelow zugleich seiner Amtsvorgängerin Lieberknecht für ihr Engagement zugunsten der jüdischen Theologie: "Ihnen ist es mit zu verdanken, dass die jüdische Theologie in Deutschland zu einem ordentlichen Universitätsfach geworden ist." Während Lieberknechts Amtszeit wurde an der Hochschule für Musik in Weimar ein Lehrstuhl für jüdische Musik eingerichtet. Ramelow hatte daran maßgeblichen Anteil. Unter den Gästen auf der Landtagstribüne waren denn auch der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, Rabbiner Walter Homolka, sowie ranghohe Vertreter der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen.

Schreckgespenst eines "Karl Marx" in der Staatskanzlei

Bei Kirchenthemen geriet Ramelow mehrfach mit seiner Partei aneinander. So stimmte er beim Bundesparteitag 2013 gegen das Wahlprogramm, weil ihm eine Passage zur Religion missfiel. Dort wurde die Abschaffung der Kirchensteuer und des Blasphemieparagrafen, religiöser Symbole in staatlichen Schulen sowie von Schulgottesdiensten gefordert. "Bei aller berechtigten Kritik, die man an der Institution Kirche haben kann oder sogar haben muss, und bei aller Kritik an Religionen muss man darauf achten, dass man nicht die Gefühle derjenigen, die religiös sind, bei Parteitagsbeschlüssen mit Füßen tritt", begründete er seine Entscheidung. Sinen angedrohten Parteiaustritt bei Verabschiedung der Passage machte er dann allerdings nicht wahr.

Bereits in der Parteidebatte 2011 hatte Ramelow betont, er wolle den Begriff "Laizismus" im Wortsinne verstanden wissen: "Dies bedeutet nichts anderes, als für eine klarere Trennung von Staat und Kirche einzutreten." Dazu gehöre aber auch, dass der Staat Juden, Christen und Muslime gleich behandle. Beim Deutschland-Besuch von Papst Benedikt XVI. im selben Jahr mahnte er seine Parteigenossen: "Man kann Auffassungen des Papstes kritisieren, doch wenn er als Gast des Bundestages auftritt, muss er respektvoll empfangen werden."

Schwierige Jahre in Kindheit und Jugend

Vor Ramelows beruflichem und politischen Aufstieg kamen schwierige Jahre in Kindheit und Jugend. Er sei von seiner Mutter mit der Peitsche geschlagen worden, verriet er unlängst. Ein Grund sei seine damals unerkannte Legasthenie gewesen: "Die Lehrerin sagte der Mutter: Bodo ist hochintelligent, aber stinkend faul." Heute habe er Verständnis für seine Mutter, betonte der Politiker, der selbst zwei erwachsene Söhne hat: "Vier Kinder, kein Einkommen. Und dann der faule Sohn. Sie war überfordert." Der Vater war bereits 1963 verstorben.

Der in Rheinhessen aufgewachsene Ramelow machte nach dem Hauptschulabschluss zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Auf dem zweiten Bildungsweg holte er die Fachhochschulreife nach. Anfang der 1980er begann seine Karriere als Gewerkschafter. Zunächst Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen, wechselte Ramelow 1990 nach Thüringen, um beim Aufbau der Arbeitnehmervertretungen in den neuen Bundesländern zu helfen.

Angestrebt: Regierungsbeteiligung 2017 im Bund

1999 trat Ramelow der damaligen PDS bei und wurde direkt in den Thüringer Landtag gewählt, wo er ab 2001 die Fraktion anführte. 2005 war er Verhandlungsführer der PDS bei den Gesprächen zur Fusion mit der WASG zur neuen Linkspartei. Als deren Abgeordneter ging Ramelow 2005 in den Bundestag, unter anderem als "Religionsbeauftragter" der Linkspartei. 2009 kehrte er als Thüringer Oppositionsführer zurück nach Erfurt.

Nach 2004 und 2009 trat Ramelow nun zum dritten Mal als Kandidat für das Ministerpräsidenten-Amt an. Für Thüringens früheren CDU-Ministerpräsidenten Bernhard Vogel ist eine Regierung unter Ramelow "nicht der Untergang des Abendlandes". Im Gegenteil: "Ich rechne nicht damit, dass er alles auf den Kopf stellen wird." Schließlich gehe es der Linken auch um eine Regierungsbeteiligung 2017 im Bund.


Quelle:
KNA