Hilfsorganisationen kritisieren "Zukunftscharta"

Hochambitioniert und wolkig

Gerd Müller trägt einen berühmten Namen - aber als Entwicklungsminister ist er kaum bekannt. Mit seiner "Zukunftscharta" legt er jetzt ein mutiges Dokument vor, das die Regierung zu verantwortungsvollem Handeln bewegen soll. Doch Papier ist geduldig.

Autor/in:
Anne-Beatrice Clasmann
Drachensteigen (dpa)
Drachensteigen / ( dpa )

Für Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) soll es der erste ganz große Wurf werden. In mehr als einem Dutzend Gesprächsrunden mit Bürgern, Hilfsorganisationen und Verbänden hat er Anregungen für seine "Zukunftscharta" gesammelt. Amnesty International war dabei, Oxfam, Unternehmerverbände und Brot für die Welt. Jetzt darf Müller das hochambitionierte Dokument der Bundeskanzlerin überreichen.

Auch einige Kabinettskollegen hat er für die öffentliche Veranstaltung an diesem Montag gewinnen könne, bei der dieser Leitfaden für nachhaltige Politik, vorgestellt wird. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist dabei. Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hat sein Kommen zugesagt. Das ist wichtig - für die Sache und auch für Müller. Denn der CSU-Politiker gehörte bislang eher zu den unauffälligen Mitgliedern des Kabinetts von Angela Merkel (CDU).

Ein bisschen so wie die Zehn Gebote

Müllers Charta für Nachhaltigkeit und Menschenrechte liest sich ein bisschen so wie die Zehn Gebote. Mit anderen Worten: Es sind Grundpfeiler moralischen Handels.

"Ein Leben in Würde weltweit sichern", ist der erste der insgesamt acht Grundsätze, aus denen das Dokument besteht. Dazu gehört nach Ansicht der Verfasser das Recht auf Bildung genauso wie die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und der Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten und Frauen. Doch welche konkreten Konsequenzen daraus für das Handeln der Bundesregierung erwachsen, bleibt offen.

Hier setzt auch die Kritik der Hilfsorganisationen an, die von Müller eingeladen worden waren, sich an der den Vorbereitungen für die Formulierung der Grundsätze zu beteiligen. Die Zukunftscharta sei etwas "wolkig" formuliert, heißt es bei Oxfam. "Das Dokument setzt die richtigen Schwerpunkte, aber es bleibt bei der Analyse stecken, es fehlt ein Aktionsplan", sagt Tobias Hauschild von Oxfam Deutschland.

Zuständig sind oft andere Ministerien

Müller verspricht zwar, sein Ministerium werde jährlich Bilanz ziehen, was es zur Umsetzung der "Zukunftscharta" beigetragen hat. Doch viele der darin aufgelisteten Grundsätze fallen in die Zuständigkeit anderer Ressorts - vom Auswärtigen Amt bis zum Umweltministerium.

Da die Entwicklungspolitik ein Thema ist, das in deutschen Wahlkämpfen kaum eine Rolle spielt, ist es oft schwer, dafür ausreichend Rückhalt in Parteien oder im Kabinett zu finden. Dass die Kanzlerin die "Zukunftscharta" jetzt trotzdem unterstützt, hängt sicher auch damit zusammen, dass die Entwicklungspolitik zu den von der Bundesregierung ausgewählten Schwerpunkt-Themen des G7-Gipfels im kommenden Juni gehört. Angesichts der aktuell festgefahren Positionen in vielen Fragen der Weltwirtschaft und der Sicherheitspolitik bieten Themen wie Sozialstandards in Entwicklungsländern und Meeresschutz eher eine Chance, zum Abschluss des Gipfels in Elmau auch konkrete Erfolge präsentieren zu können.

Einen Zweck hat Müller jedoch jetzt schon erfüllt. Das Verhältnis zwischen seinem Ministerium und den Nichtregierungsorganisationen hat sich durch die relativ offene Diskussion über die Charta entspannt. Denn Müllers Vorgänger, der wirtschaftsnahe FDP-Politiker Dirk Niebel, war für die Hilfsorganisationen immer ein rotes Tuch.


Gerd Müller (dpa)
Gerd Müller / ( dpa )
Quelle:
dpa