Bischöfe erinnern in Verdun an die Opfer des Ersten Weltkriegs

"Leiden der anderen sehen"

Die katholischen Bischöfe der EU haben am Dienstagabend im französischen Verdun an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gedacht - und die gemeinsamen Wurzeln Europas betont. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hatte unter anderem eingeladen.

Autor/in:
Kerstin Bücker
 (DR)

Die Zahlen übersteigen das Vorstellungsvermögen: Rund 50 Millionen Artilleriegranaten und Wurfminen explodierten auf dem Schlachtfeld rund um die Stadt Verdun. Schätzungsweise mehr als 170.000 französische und 150.000 deutsche Soldaten verloren ihr Leben während der knapp einjährigen Schlacht im Ersten Weltkrieg. Auch 100 Jahre später erinnert die hügelige Landschaft im Nordosten Frankreichs an den Krieg. Als Mahnmal für diese Verbrechen stehen Tausende weiße Kreuze auf dem riesigen Soldatenfriedhof.

An diesen Ort hat der Münchner Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der EU-Bischofskommission die Bischöfe der EU eingeladen. Bischöfe, deren Nationen sich vor einem Jahrhundert noch bekriegt haben. 100 Jahre später sollen sie sich hier die Schrecken des Krieges bewusst machen. Sie sollen, so Marx, spirituell Bilanz ziehen und zurückblicken auf das vergangene Jahrhundert europäischer Geschichte, dass nicht nur von Licht, sondern auch von Dunkelheit geprägt ist.

Kirche nicht widerständsfähig genug

Auch die Kirche sei nicht widerstandsfähig genug gegen den Nationalismus vorgegangen, mahnt Marx: "Sie waren gefangen in ihrer Zeit." Viel zu häufig hätten Kirchenmänner sogar das Feuer des Konflikts geschürt und die nationalistische Leidenschaft angeheizt. "Diese Erinnerung ist erschreckend."

Während der Gedenkfeier am Beinhaus von Douaumont zündet Marx eine Kerze an zum Gedenken an die Toten; 15 europäische Bischöfe folgen seinem Beispiel. In einer stillen Prozession gehen die Bischöfe gemeinsam in die Beinhaus-Kapelle und gedenken in einer kurzen Vesper der Verstorbenen. Besonders dankbar sei er, so Marx, dass der Erzbischof von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljic, als Vertreter des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), ebenfalls anwesend ist.

Unvorstellbare Ausmaße

Der Kampf zwischen Franzosen und Deutschen rund um die Anhöhen der Stadt Verdun war eine der blutigsten Schlachten im Ersten Weltkrieg. 130.000 Gefallene konnten nicht identifiziert werden, ihre Knochen liegen gesammelt im Beinhaus am Soldatenfriedhof. Die Ausmaße des Ersten Weltkrieges seien auch 100 Jahre später noch unvorstellbar groß, sagt Marx. Auch deshalb sei der Schrecken des Ersten Weltkriegs in Europa noch nicht vollständig aufgearbeitet.

Es sei deshalb auch Aufgabe der Kirchen, den Dialog über den Krieg voranzutreiben und die Menschen damit bei der Aufarbeitung der dramatischen Ereignisse zu unterstützen. Gleichzeitig müsse man dankbar sein für die Errungenschaft der Europäischen Union. Durch den Verbund der Staaten in einer Union habe man eine Möglichkeit geschaffen, mit Meinungsverschiedenheiten friedlich umzugehen.

Gemeinsame Wurzeln

In der heutigen Zeit sei es wichtig, sich auf die christlichen Wurzeln als Identität für ein friedliches und gerechtes Europa zu besinnen, betont Marx. Gemeinsame Wurzeln seien die Basis, um die Bürger in Europa stärker zu verbinden. In den vergangenen Jahren habe in Europa zudem eine Veränderung in der Erinnerungskultur stattgefunden, sagt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Es würden nicht mehr lediglich Denkmäler gebaut, die an den Schrecken erinnern: "Auch die Leiden der anderen werden gesehen." Nicht nur die eigene Nation stehe im Mittelpunkt des Gedenkens, sondern auch der Austausch mit den anderen Völkern sei wichtig geworden. Die vom Krieg gebeutelte Stadt Verdun sei ein gutes Beispiel dafür: "Es ist ein Ort des Schreckens und gleichzeitig beginnt hier nun die Versöhnung zwischen den Völkern, wenn Menschen aus verschiedenen Nationen zusammen kommen."


Quelle:
KNA