Bischof Koch beeindruckt von 89er-Bewegung in seinem Bistum

"Wir sind das Volk"

Als Wessi kennt Bischof Koch die Geschichten von der friedlichen Revolution vor 25 Jahren in seinem Bistum nur aus Erzählungen. Der Mut der Menschen beeindruckt ihn sehr. Doch wo ist bei den Wende-Feiern die Jugend, fragt er.

Leipizig feiert die Wende (dpa)
Leipizig feiert die Wende / ( dpa )

domradio.de: Seit mehr als einem Jahr sind Sie Bischof in Dresden-Meißen, stammen aber eigentlich aus dem Westen, genauer gesagt aus Düsseldorf. Wie haben Sie denn die Montagsdemonstrationen vor 25 Jahren erlebt?

Bischof Heiner Koch (Bistum Dresden-Meißen): Ich war damals Studentenpfarrer in Düsseldorf und wir haben sie leidenschaftlich erlebt. Wobei es ganz heftige Diskussion in Westdeutschland gab, auch in unserer Gemeinde- soll man eigentlich die SED und die DDR fördern und liberalisieren oder ist es nicht an der Zeit zu sage, das muss ein radikales Ende haben. Wir haben an diesen Tagen gemerkt, wie enttäuscht viele hier im Osten waren, dass es die Unterstützer für die DDR und die SED gerade im Westen gab. 

domradio.de: Welche Position haben Sie da eingenommen?

Bischof Koch: Wir hatten ja damals schon erste Kontakte mit Kardinal Meisner, er wurde ja 89 eingeführt. Wir haben uns ja mit ihm besprochen und uns war klar, das geht zu Ende.

domradio.de: Was imponiert Ihnen im Rückblick besonders an den Männern und Frauen, die damals in Leipzig auf die Straße gegangen sind?

Bischof Koch: Es gehört für mich zu den beeindruckendsten Momenten in diesen Tagen, die Menschen zu sprechen, auch die Katholiken, die an den Runden Tischen hier in Dresden oder in Leipzig oder in Plauen waren. Sie haben damals sehr klug und weise, bedacht, engagiert und zielstrebig gehandelt und doch immer wieder gesagt "keine Gewalt". Das ist angesichts der drohenden Kulisse des völlig offenen Ausgangs damals… Der Polizeipräsident von Dresden hatte die Möglichkeit schießen zu lassen und die Niederschlagung der Unruhen in China am Platz des Himmlischen Friedens waren ja noch sehr präsent - also was sie für eine Verantwortung getragen haben und solch eine große von ihnen gar nicht absehbare Bewegung so friedlich zu halten, so gezielt zu halten, aber auch klar und eindeutig und klug und weise zu handeln, das finde ich genial!

domradio.de: Was würden Sie sagen, was bedeuten die Ereignisse von 1989 für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen?

Bischof Koch: Eindeutig gibt es hier die Überlegung Freiheit vor Einheit. Es war erst die Freiheit, die erkämpft wurde und dann die Einheit. Die Einheit ist von allen als gut und wichtig gesehen worden. Ich kenne kaum Leute, die es zurückschrauben wollen. Aber es war auch ein Problem, denn der Eintritt in die neuen Bundesländer war eigentlich kein freier Zusammenschluss, sondern sie sind unter Bedingungen der völligen Aufgabe ihres Lebenswissens, ihrer Regeln, ihres Rechts übernommen worden. Das ist wahrscheinlich auch die einzige Möglichkeit gewesen, so zur Einheit zu kommen. Das sagen fast alle, aber es war auch ein Stück Aufgabe der eigenen Geschichte, der Identität. So haben sie es damals auch erlebt. Dankbar sind sie alle in diesen Tagen, vorallem für die Freiheit. Es ist schön, zu erleben, dass so viele Menschen, die damals auf den Straßen waren, heute feiern. Ein bisschen fragt man sich natürlich auch, was ist seitdem geschehen, wo ist die Jugend heute. Das ist schon auffallend, dass bei den Feiern vorallem die sind, die damals die Verantwortung getragen haben und damals junge Menschen waren. Die jungen Leute, für die das schon Geschichte ist und die sich darüber nicht definieren über die Ereignisse von damals, fehlen oftmals.

Das Interview mit Friederike Seeger


Bischof Heiner Koch  (dpa)
Bischof Heiner Koch / ( dpa )
Quelle:
DR