CDU-Abgeordnete Klöckner: Kirche und Parteien brauchen glaubwürdiges Bodenpersonal

"Der Glaube ist etwas sehr Modernes"

Die CDU hat sich selbst eine Verjüngungskur auferlegt. Warum christliche Positionen für die Partei kein Ballast sind, erklärt die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner. Der Glaube sei etwas sehr Modernes.

Junge CDU-Unterstützer (dpa)
Junge CDU-Unterstützer / ( dpa )

domradio.de: Nach dem Willen Ihres Generalsekretärs Peter Tauber will man sich, nachdem auch das Düsseldorfer Rathaus an die SPD gefallen ist, verstärkt auf Großstädter konzentrieren. Sie selbst haben gesagt "Unser Land besteht nicht nur aus Latte-Macchiato-Bistros". Wie kann man denn in so einer großen Partei Menschen unterschiedlicher Milieus erreichen?

Julia Klöckner (stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende): Das ist genau so wie bei der katholischen oder evangelischen Kirche - Menschen sind ja sehr unterschiedlich und man kann sie nie über einen Kamm scheren. Ich zum Beispiel komme vom Land, komme aus einem Weingut und da sind andere Dinge gefragt als zum Beispiel in der Hauptstadt Berlin. Bei uns geht es um schnelles Internet im ländlichen Raum, da geht es darum, ob es genügend Straßen gibt, gute Anbindungen zur Arbeit. Das sieht in einer größeren Stadt eher anders aus. Da geht es um öffentliche Verkehrsmittel und andere Fragestellungen. Deshalb ist es sicherlich notwendig, dass man für die örtlichen Probleme auch passgenaue Antworten hat. Dann, glaube ich, hat die CDU an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen Luft nach oben gehabt, auch wenn es um das Personalangebot in Großstädten ging. Es lag weniger an dem inhaltlichen Angebot, das die CDU macht, aber es zeigt sich, dass in Städten mehr der Typus eine Rolle spielt und dann fast gar nicht mehr auf die Inhalte geschaut wird. Wir müssen beides miteinander verbinden.

domradio.de: Bei der CDU wird immer wieder über das „C" im Parteinamen gesprochen. Sie haben gerade selbst schon die Kirchen angesprochen, sie gelten in der Gesellschaft als verstaubt und nicht zeitgemäß, wie passt das dann zusammen - die Kirchen und die moderner werdende CDU?

Klöckner: Der Glaube ist etwas sehr Modernes, ist etwas Zeitloses. Konservativsein heißt ja nicht, dass man strukturkonservativ bleiben muss, nur an den Rahmenbedingungen festhalten muss. Wichtig ist, dass das, was man als erhaltenswert erachtet hat, weiter trägt, auch wenn die Formen sich ändern. Wir haben ja gesehen, dass Mädchen auch Kanzlerin können, was vielleicht vor vielen Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre. Auch in der Kirche ändert sich einiges an den Formen und an den Möglichkeiten. Als ich damals zur Kommunion gegangen bin, durfte ich keine Messdienerin werden. Meine Nichte Theresa ist Messdienerin als Mädel. Es ändert sich einiges, aber ohne alles über Bord zu werfen.

Und wie passen Kirche und moderne CDU zusammen? Indem wir natürlich das, was gesellschaftlich relevant ist, miteinander besprechen und schauen, was ist gut für die Leute, für unser Land und sicherlich auch für eine Wertbindung. Als konkretes Beispiel nehme ich die Debatte um die aktive Sterbehilfe, da sagen wir als CDU ganz klar, aktive Sterbehilfe entspricht nicht der Würde des Menschen oder der Schutz des ungeborenen Lebens steht bei uns ganz oben oder die Bewahrung der Schöpfung. Da ist egal, ob man sich öffnet zu mehr Migranten, Frauen hin oder weniger, sondern das ist die Frage, welcher Wert ist für uns wichtig.

domradio.de: Wenn Sie die christlichen Werte ansprechen, gerade bei den jungen Menschen spielen Glaube, Christentum, Kirchen immer weniger eine Rolle. Sie wissen manchmal auch weniger von den Werten und Ideologien, die dort vertreten werden. Wie kann man denn junge Menschen mit einem christlichen Profil ansprechen?

Klöckner: Ich würde Ihnen zumindest teilweise widersprechen, denn man kann junge Leute, und sollte es genauso wenig wie bei älteren Leuten, sie über einen Kamm scheren. Ich kenne viele junge Leute, die unglaublich aktiv sind vor Ort, auf den Jugendkirchentagen oder in Jugendgruppen. Pauschal kann man es so sicherlich nicht sagen, dass die Jugendlichen da keinen Zugang hätten, aber das Angebot oder die Art der Ansprache muss sicherlich eine andere sein. Jugendliche sind heute vielleicht weniger bereit, sich langfristig zu binden, sondern sich eher in Projekte einbinden zu lassen. Da hat es häufig etwas mit dem Bodenpersonal zu tun - sowohl bei der Kirche wie auch bei Parteien: sind sie glaubwürdig, sprechen sie mich an?

domradio.de: Sie selbst haben schon die Sterbehilfe oder den Lebensschutz angesprochen, wird die christliche Position und die Position der Kirche auch noch etwas zu sagen haben in der Partei und im Bundestag?

Klöckner: Ja, absolut, denn Politiker sind ja nicht zu trennen von ihrem Glauben, das geht ja zum Teil ineinander über. Man ist aktiv in der Kirchengemeinde zu Hause und ist Mitglied des deutschen Bundestages zum Beispiel. Ich hätte mir aber auch von den Kirchen gewünscht, dass sie selbst eine einheitliche Positionierung haben. Bei der embryonalen Stammzellforschung hat zum Beispiel die katholische Kirche eine andere Position gehabt als die evangelische Kirche, aber dann ist es umso schwieriger von Abgeordneten eine christliche Position zu erwarten. Ich glaube, da stehen alle beteiligten Kräfte vor Herausforderungen. Deutlich muss sein: Das Leben ist schützenswert, egal ob man alt oder jung, krank oder gesund ist, reinzahlt oder was rauskriegt und dafür müssen wir gemeinsam kämpfen.

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR