Kolping kritisiert Rentenpläne der Bundesregierung

Altersarmut vermeiden, Arbeitsfähigkeit erhalten

Das Rentenpaket der Bundesregierung trifft auf großen Widerstand. Der Ansatz sei zwar richtig, man müsse aber bei der Erwerbsminderungsrente ansetzen, betont der Bundesvorsitzende des Kolpingwerks, Thomas Dörflinger, im Interview.

Rente (dpa)
Rente / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Haben sich diejenigen, die in den Genuss der Rente mit 63 kommen werden, nach 45 eingezahlten Jahren nicht ihre Rente verdient?

Thomas Dörflinger (CDU-Bundestagsabgeordneter und Bundesvorsitzender des Kolpingwerks): Der Ansatz, der dem Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung zu Grunde liegt, ist prinzipiell nicht falsch.

Wir teilen es, dass langjährig Versicherte insbesondere dann, wenn sie aus psychischen oder aus physischen Gründen tatsächlich nicht mehr können, auch in Rente gehen können, ohne dass sie finanzielle Einbußen erleiden. Der Ansatz ist richtig.

Thomas Dörflinger (Kolping)

Die Frage ist nur, welches Instrument ich dafür in die Hand nehme. Wir sagen als Kolpingwerk Deutschland, die Pläne der Bundesregierung unter dem Stichwort "Rente mit 63" gehen in die falsche Richtung.

Wir müssten über die Erwerbsminderungsrente ansetzen und dort den notwendigen Flankenschutz für diese Personengruppe bilden.

DOMRADIO.DE: Muss man nicht allgemein über das System des Renteneintrittsalters noch einmal nachdenken? Die Menschen werden schließlich immer älter?

Dörflinger: Das kann man tun. Da gibt es seit einigen Tagen auch einen Vorschlag, der auf Carsten Linnemann, den Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung zurückgeht.

Er sagt, wir sollten denjenigen, die aus freien Stücken sich über die Regelaltersgrenze 65 oder 67 hinaus im Erwerbsleben beteiligen möchte, auch die Möglichkeit eröffnen, dies zu tun, ohne dass dies für sie mit finanziellen Nachteilen verbunden ist.

Diesem Vorschlag kann ich durchaus etwas abgewinnen - unter der Voraussetzung, dass derjenige, diese Entscheidung auch freiwillig trifft.

DOMRADIO.DE: Wenn wir in ihren Gegenentwurf des Kolpingwerks hineinschauen, da heißt es, der Gesetzentwurf von Andrea Nahles, von der Bundesregierung verletzt durch eine einseitige Bevorzugung des Klientel das Prinzip der Gemeinwohlorientierung. Wen sehen Sie bevorzugt und wen sehen Sie benachteiligt?

Dörflinger: Das Problem ist, dass der Vorschlag eine relativ kleine Gruppe von mehreren Jahrgängen betrifft, diejenigen, die von ihren Geburtsjahrgängen danach kommen, werden in diesen Genuss nie mehr kommen.

Nach dem Gesetzentwurf von Frau Nahles nähert sich auch von der Rente mit 63 sukzessive das Eintrittsalter wieder in Richtung 65 bzw. 67 an. Es betrifft eine relativ kleine Personengruppe, die vermutlich in der Mehrzahl, auf Grund der Erfordernis von 45 Versicherungsjahren, männlich ist und ohnehin bereits gut verdient hat.

Das eigentliche Ansinnen, dass man Altersarmut insbesondere zugunsten von Frauen vermeiden will, wird durch den Gesetzentwurf an der Ecke sicherlich nicht erreicht.

DOMRADIO.DE: Sie sagen Altersarmut vermeiden und gleichzeitig auch die Arbeitsfähigkeit erhalten, ein konkreter Vorschlag wie das gelingt?

Dörflinger: Der Ansatz, der ja auch Gegenstand des Rentenpakets ist, dass man den Rehadeckel anhebt, ist richtig und auch für uns als Kolpingwerk Deutschland unstrittig. Es wäre uns allerdings lieber gewesen, wenn man diesen Ansatz verbunden hätte mit einem konkreten Vorhaben. Zum Beispiel mit einem Präventionsgesetz unter dem Stichwort "Reha statt Rente".

So dass wir diejenigen, in der Generation 55 plus, die gelegentlich unter psychischen oder physischen Problemen leiden, durch zusätzliche Rehabilitationsanstrengungen auch in die Lage versetzen, dass sie die Regelaltersgrenze überhaupt erreichen.

Wenn das miteinander kombiniert worden wäre, wäre das aus unserer Sicht wesentlich besser gewesen.

DOMRADIO.DE: Sie sind selbst Teil der großen Koalition, wie finden Sie die  geplante und angegangene Rentenreform insgesamt?

Dörflinger: Ich mache aus meiner Enttäuschung, dass es zu einer ganz großen Rentenreform nicht gekommen ist, keinen Hehl. Das sage ich mit Blick auf das, was etwa Gegenstand des Rentenmodells der katholischen Verbände ist. Da hätte ich mir mehr gewünscht.

Andererseits ist das Vorhaben der Mütterrente, das ja auch Gegenstand des Rentenpakets ist, politisch weitgehend unstrittig, auch für uns als Kolpingwerk. Wir hätten es aber aus Steuermitteln finanziert und nicht aus Beitragsmitteln.

Jetzt muss man in der Einzelberatung sehen, dass insbesondere bei dem Vorhaben Rente mit 63 die Auswirkungen für die Beitragszahler so niedrig wie möglich sind.

Das Interview führte Matthias Friebe.

Rentenpaket von 2014

Nach monatelangen Diskussionen war es am Freitag, 23. Mai 2014, so weit: In abschließender Lesung befasste sich der Bundestag mit dem Rentenpaket der Bundesregierung und stimmte diesem mit großer Mehrheit zu: 460 Abgeordnete stimmten in der namentlichen Abstimmung dafür, 64 dagegen und 60 enthielten sich.

Das Rentenpaket von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) besteht aus vier Komponenten. Hier die Eckpunkte:

Stirbt ein Ehepartner, hat der überlebende Partner in der Regel Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente. / © Sebastian Kahnert (dpa)
Stirbt ein Ehepartner, hat der überlebende Partner in der Regel Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente. / © Sebastian Kahnert ( dpa )
Quelle:
DR