Syrische Kirchenvertreter haben wenig Hoffnung

Krieg ohne Ende

Es ist eine ungewöhnliche Runde, die in Deutschland für eine Woche zusammengekommen ist, um die Lage der Christen in Syrien zu diskutieren und mit Vertretern von Kirche und Politik zu sprechen. Und für Kirchenmänner eine mit Risiko.

Autor/in:
Barbara Mayrhofer
Syrien: Spuren des Bürgerkriegs (dpa)
Syrien: Spuren des Bürgerkriegs / ( dpa )

Ein Patriarch, Bischöfe und Wissenschaftler aus dem Nahen Osten sitzen neben Vertretern der deutschen Kirchen. Für die syrischen Kirchenmänner ist es nicht ohne Risiko, hier offen und kritisch zu sprechen, wenn dies in ihrer Heimat bekanntwird. Deshalb werden im Folgenden auch nicht alle Äußerungen namentlich zugeordnet. Doch auch die ökumenische Herausforderung, die ein solches Treffen birgt, ist enorm.

Bei aller Verschiedenheit sind sich die syrischen Teilnehmer einig, wie wichtig eine solche Begegnung ist. "Wir haben eine ganz große Rolle als kleine Gruppe - wir müssen Frieden und Versöhnung verbreiten", betont einer der Bischöfe. Christen stellten in Syrien eine Minderheit da. Jedoch komme ihnen eine wichtige Brückenfunktion zu: zwischen den zerstrittenen Gruppierungen in Syrien selbst, aber auch zwischen dem Nahen Osten und Europa. Um diese Vermittlerrolle beibehalten zu können, sei es wichtig, dass Christen in Syrien bleiben könnten. Eine Auswanderung ist für die Kirchenvertreter keine Lösung.  Flüchtlingsaufnahmen wie sie von der Bundesregierung geplant sind, halten sie nur in humanitären Ausnahmefällen für sinnvoll.

Ruf nach Hilfe und Solidarität

Ein baldiges Ende der Kämpfe, das eine sichere Rückkehr ermöglichen würde, sehen viele jedoch nicht. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte der libanesische Caritas-Direktor Simon Faddoul, realistischerweise müsse man davon ausgehen, dass der Konflikt noch Jahre dauern könnte. Einig ist man sich, dass die internationale Gemeinschaft noch mehr tun müsse. Eine friedliche Lösung könne zwar letztlich nur von den Syrern selbst kommen. Wichtig sei aber, so einer der Wissenschaftler, eine Einigung zu finden, bei der es keinen Sieger und keinen Besiegten gebe. Nur so könnten alle Gruppierungen als gleichberechtigte Bürger beteiligt werden.

Einige Kirchenoberhäupter betonten außerdem, dass Christen sich in diesem Konflikt in erster Linie als syrische Bürger sähen. Als solche wollten sie gemeinsam mit allen anderen ein "Syrien, das Platz hat für alle Religionen und alle Bürger". Auch der Patriarch der melkitischen griechisch-katholischen Kirche, Gregoire III. Laham, betonte, dass man nicht nur von Christen sprechen solle. Alle Syrer seien von dem Konflikt betroffen und bräuchten Unterstützung.

Hilfe und Solidarität wünschen sich die syrischen Geistlichen vor allem von der westlichen Kirche. In der Vergangenheit habe es hier an ökumenischem Geist gemangelt, aber auch an Mut der Kirche, sich klar zu positionieren, "weil sie mehr auf die Politik geachtet hat als auf das, wozu sie als Kirche gerufen ist". Man brauche ein Christentum, das sich nicht um "Besitzstand dreht, sondern darum, gemeinsam Salz der Erde zu sein", sagte einer der Theologen. Aber auch die Politik müsse ihren Einfluss stärker geltend machen, gerade beim Thema Waffenhandel, darin sind sich die syrischen Vertreter einig. Noch mehr Waffen seien kein Beitrag zum Frieden.

"Ein bekanntes Böses ist besser als ein unbekanntes Gutes"

Auch die Rolle der westlichen Medien sprechen die Teilnehmer des Treffens an. Oft wirke die Berichterstattung sehr einseitig. Stattdessen sollten Journalisten wie Politiker Kirchenvertreter direkt ansprechen, um Informationen aus erster Hand zu erhalten. Bei der Bevölkerung könne man allerdings auch eine "Mauer der Angst" erkennen; eine offene Meinungsäußerung könnte verheerende Folgen haben.

Die syrischen Kirchenvertreter diskutieren nicht nur die Zukunft ihres Landes, sondern auch seine Geschichte. Viele alte Rechnungen zwischen religiösen Gruppierungen, aber auch politischen Persönlichkeiten würden in dem Konflikt ausgetragen. "Kein Syrer ist mit der Diktatur einverstanden, mit dem Personenkult oder dem Polizeistaat, unter dem wir litten und leiden", betont einer der Geistlichen. Dennoch sei der Konflikt so komplex, dass sich viele an das alte orientalische Sprichwort hielten: "Ein bekanntes Böses ist besser als ein unbekanntes Gutes." Trotz aller Sorge und Verunsicherung ist sich die Runde aber einig: "Wir glauben an ein Syrien, das größer ist als eigennützige Interessen von Gruppierungen."


Quelle:
DR