Ein Jahr nach Beginn der Flüchtlingsproteste

Stillstand in der Asylpolitik

Sie kämpfen seit einem Jahr: Flüchtlinge, die hierzulande eine würdige Behandlung und mehr Rechte durchsetzen wollen. Ihre Ziele liegen noch immer in weiter Ferne, doch aufgeben wollen sie nicht. Auch, weil ihre Proteste die umstrittene Asylpolitik in der Debatte halten.

Autor/in:
Anke Schwarzer
 (DR)

Die Proteste begannen am 23. März 2012, nachdem sich der Asylbewerber Mohammad Rahsepar in Würzburg das Leben genommen hatte. Zum Jahrestag des traurigen Ereignisses demonstrierten rund 3.000 Menschen in Berlin. Ihr Protestmarsch endete am Oranienplatz, wo Asylsuchende seit Oktober zelten. Sie fordern einen generellen Abschiebestopp, freie Arztwahl, Arbeits- und Studienerlaubnisse für alle Asylsuchenden, das Aus der Residenzpflicht, der Lager und der Essenspakete sowie einen Anspruch auf staatlich geförderte Deutschkurse.

"Wir warten immer noch auf Antworten", sagt Mahadi Ahmed und übt sich in Geduld. Es brauche Zeit, bis die Forderungen erfüllt werden könnten. "Auch wenn es bitterkalt ist: Wir leben lieber hier in einem Zelt ohne Heizung als in dem Lager, aus dem wir kommen", erklärt der junge Aktivist aus einem Flüchtlingslager aus Hildesheim. Er schloss sich den Protesten im September an.

Auf dem Berliner Oranienplatz wird nach seinen Angaben der Protest von etwa 80 Flüchtlingen getragen, darunter auch fünf Familien aus dem Sudan, aus Mazedonien, dem Iran und aus Afghanistan. Letztere schliefen allerdings in nahe gelegenen Wohnungen, seien aber tagsüber auf dem Camp aktiv, sagt Ahmed.

Gestrüpp von Sonderregelungen

Die Aktion wird von keiner Massenbewegung getragen, doch wird die Diskussion über die Zustände in den Flüchtlingslagern und um den Umgang mit Asylsuchenden in Deutschland wachgehalten. Konkrete, schnelle Verbesserungen sind indes kaum in Sicht: Die Residenzpflicht etwa wurde zwar in den vergangenen zwei Jahren in elf Bundesländern gelockert. Für Fahrten in andere Bundesländer muss aber nach wie vor eine Erlaubnis beantragt werden. In sechs Bundesländern erheben die Ausländerbehörden dafür immer noch Gebühren.

Statt das diskriminierende Bundesgesetz endlich abzuschaffen, sei nun durch Länderverordnungen ein Gestrüpp von Sonderregelungen entstanden, mit dem die Ausländerbehörden Betroffene nach eigenem Gutdünken bestrafen und unter Druck setzen können, kritisieren die Landesflüchtlingsräte.

Auch trotz der geplanten Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz wird im Grundsatz am alten System festgehalten. Der Gedanke, es gebe ein Existenzminimum unterhalb des Existenzminimums, sei im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nach wie vor präsent sei, rügen die Flüchtlingsräte.

Der Entwurf übernimmt zwar die Beträge der vom Bundesverfassungsgericht im Sommer 2012 verordneten Übergangsregelung, die sich an der Sozialhilfe orientiert. Allerdings wird am Vorrang der Sachleistungen statt Bargeld festgehalten. Auch die Einweisung in Sammellager statt in Wohnungen soll möglich bleiben. Die umstrittene Versorgung mit Essenspaketen oder Wertgutscheinen wird ebenfalls nicht abgeschafft.

Stillstand auch beim Thema Arbeitserlaubnis

Pro Asyl weist darauf hin, dass sich die Dauer, in der über Asylanträge entschieden wird, nicht verkürzt hat. "Wir haben es mit einem enormen Rückstau der Asylanträge zu tun, weil in den letzen Monaten Serbien und Mazedonien mit Priorität entschieden und alle anderen liegengelassen wurden", sagt Vize-Geschäftsführer Bernd Mesovic. Wartezeiten von über einem Jahr seien für viele Betroffene kaum erträglich.

Stillstand herrscht auch beim Thema Arbeitserlaubnis: Während die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) dafür ist, allen Ausländern den Zugang zum Arbeitsmarkt spätestens nach sechs Monaten zu ermöglichen, hält das Innenministerium am einjährigen Arbeitsverbot für Asylsuchende und Geduldete fest.

Etwas Bewegung kommt immerhin in die Frage des Zugangs zu den Deutschkursen. Die Länder haben jüngst den Bund einstimmig aufgefordert, auch Asylbewerbern Integrationskurse anzubieten. Bislang sind Asylsuchende und Geduldete von den staatlich geförderten Deutschkursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ausgeschlossen.


Quelle:
epd