Katrin Göring-Eckardt ist Spitzenkandidatin der Grünen

Kirchenfrau und Politikerin

Nach ihrer überraschenden Kür zur Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bundestagswahl 2013 lässt Katrin Göring-Eckardt ihre Ämter in der Evangelischen Kirche in Deutschland ruhen. Bis zum Ende des Wahlkampfs wird sie weder ihr Amt als Synodenpräses an der Spitze des Kirchenparlaments ausüben noch die damit verbundene Mitgliedschaft im Rat der EKD wahrnehmen.

Autor/in:
Norbert Zonker
 (DR)

Vor Beginn der Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zeigte sie sich ganz entspannt. In Timmendorfer Strand werde sie so sehr mit den Angelegenheiten des Kirchenparlaments beschäftigt sein, dass sie gar keine Zeit habe, über die parallel laufende Auszählung der Urabstimmung der Grünen-Mitglieder nachzudenken, meinte Katrin Göring-Eckardt Ende Oktober vor Journalisten. Nun liegt das für viele überraschende Ergebnis vor: "KGE", wie sie innerparteilich oft genannt wird, ist seit Samstag neben Jürgen Trittin Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf 2013. Auf den favorisierten Trittin entfielen 71,9 Prozent der Stimmen, auf Göring-Eckardt 47,3 Prozent. Fraktionschefin Renate Künast erreichte 38,6 Prozent, Parteichefin Claudia Roth 26,2 Prozent. Unmittelbar nach der Wahl gab Göring-Eckardt bekannt, dass sie ihre Kirchen-Ämter als Präses der Synode und damit verbunden als Mitglied des Rates der EKD bis nach der Wahl ruhen lässt. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider gratulierte der Grünen-Politikerin zur Spitzenkandidatur.



Leise Töne statt polarisierender Rhetorik

Die 46-Jährige war von Parteimitgliedern als Spitzenkandidatin ins Gespräch gebracht worden, die sich von ihrer Nominierung eine Attraktivität für neue Wählergruppen versprachen. Gegen Parteichefin Claudia Roth und die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Renate Künast, gaben ihr viele nur Außenseiterchancen. Doch die grüne Basis tickt offenbar anders: Sie bevorzugten die Theologin aus Thüringen, die eher durch leise Töne und ein gewinnendes Auftreten als durch polarisierende Rhetorik aufgefallen ist. Dies konnte sie nicht zuletzt als Präsidentin des Evangelischen Kirchentags in Dresden 2011, aber auch als Bundestagsvizepräsidentin seit 2005 unter Beweis stellen.



Göring-Eckardt hatte dem Präsidium der EKD-Synode bereits im September mitgeteilt, dass sie im Fall einer Grünen-Spitzenkandidatur ihr EKD-Ämter ruhen lassen werde. Mehrere Politiker von Union und FDP hatten die Vereinbarkeit von Kirchenamt und Spitzenkandidatur zuvor infrage gestellt, darunter auch Bayerns früherer Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU). Er ist Vizepräses der Synode. Gemeinsam mit dem zweiten Vize Klaus Eberl aus der rheinischen Kirche wird Beckstein die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin in den nächsten Monaten an der Synodenspitze vertreten.



Auf die Leitung der in der Regel Anfang November stattfindenen EKD-Jahrestagungen dürfte Göring-Eckardts zeitweiliger Amtsverzicht keine Auswirkungen haben. Die Tagung des laufenden Jahres ging am Mittwoch in Timmendorfer Strand zu Ende. Die Bundestagswahl im nächsten Jahr findet spätestens Ende Oktober statt, so dass Göring-Eckardt bei der Synodentagung 2013 in Düsseldorf das Kirchenparlament bereits wieder leiten könnte.



EKD begrüßt Göring-Eckardts Wahl

Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider begrüßte die Kür Göring-Eckardts zur Spitzenkandidatin ihrer Partei. "Ich freue mich, dass eine engagierte evangelische Christin wie Katrin Göring-Eckardt, die in den vergangenen Jahren in überragender Weise für die EKD gewirkt hat, in so ein wichtiges, verantwortungsvolles politisches Spitzenamt gewählt wurde", erklärte Schneider in Hannover. "Ich denke, diese Freude teilen viele Protestantinnen und Protestanten in unserem Land, unabhängig von ihrer parteipolitischen Präferenz."



Natürlich werde Göring-Eckardt der EKD in ihren Kirchen-Ämtern vorerst fehlen, fügte der Ratsvorsitzende hinzu. "Andererseits ist es eben so, dass unsere Kirche von Menschen geleitet wird, die in der Lage sind, in Staat und Gesellschaft wichtige Ämter auszufüllen - das entspricht der Weltverantwortung des Evangeliums."



Beckstein: Gewicht der Protestanten in der Politik nimmt zu

Vizepräses Beckstein erklärte, er freue sich, dass die Grünen sich für eine "so bürgerliche und kirchliche Kandidatin" entschieden haben. Damit nehme das politische Gewicht der Protestanten zu, sagte der CSU-Politiker dem epd. Neben Göring-Eckardt habe man mit Angela Merkel (CDU) eine evangelische Pfarrerstochter als Bundeskanzlerin und mit Joachim Gauck einen ehemaligen evangelischen Pastor als Bundespräsidenten. Das sei bemerkenswert.



Göring-Eckardt stammt aus Friedrichroda. Zu DDR-Zeiten studierte sie evangelische Theologie und wurde in der immer stärker werdenden Opposition politisiert. 1989 war sie Gründungsmitglied der "Bürgerbewegung Demokratie Jetzt" und später "Bündnis 90", das dann mit den Grünen zusammenging. Seit 1998 ist sie ununterbrochen im Bundestag. In der Grünen-Fraktion war sie erst Parlamentarische Geschäftsführerin, dann von 2002 bis 2005 Vorsitzende. In den 1990er Jahren gehörte sie mit Christa Nickels zu denen, die eine Entspannung des zunächst schwierigen Verhältnisses der Öko-Partei zu den Kirchen bewirkten. Sie ist verheiratet mit einem evangelischen Pfarrer und hat zwei Söhne.



Als Spitzenkandidatin wird Göring-Eckardt stärker als bisher auf Angriff gehen müssen, auch gegenüber "Glaubensgeschwistern" wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sie vor wenigen Tagen bei der Synode begrüßen konnte. Wie Trittin strebt sie die Ablösung von Schwarz-Gelb durch eine rot-grüne Koalition an. Es gehe um "Grün oder Merkel", sagte sie nach der Bekanntgabe des Urabstimmungsergebnisses. Zugleich ist zu erwarten, dass sie im Wahlkampf nicht alle Türen zuschlagen wird.



Sollte Göring-Eckardt der nächsten Bundesregierung angehören, wird sie ihre Kirchenämter wohl ganz niederlegen. Für die EKD keine einfache Perspektive im Blick auf das näher rückende Reformationsjubiläum 2017. Zwei Jahre vorher, 2015, wird ein neuer Rat gewählt, in dem aus Altersgründen keiner der jetzt amtierenden Leitenden Geistlichen mehr vertreten sein wird. Göring-Eckardt ist eine von denen, die so über das Jubiläum reden können, dass sie auch außerhalb der Kirche gehört werden. Vertreten wird sie jetzt durch die beiden Vizepräsides der Synode, den frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU), und den rheinischen Oberkirchenrat Klaus Eberl.