Staatssekretär Hermann Kues legt seine politische Bilanz vor

"Aggiornamento" auch für die CDU

Der langjährige Bundestagsabgeordnete und Familienstaatssekretär Hermann Kues (CDU) hat Bilanz gezogen. In seinem Buch "Was Kirche und Gesellschaft zusammenhält. Pragmatische Politik in christlicher Verantwortung" schreibt er über seine Erfahrungen als Christ in der Politik. Warum die CDU ein "Aggiornamento" nötig hat, begründet er im domradio.de-Interview.

Autor/in:
Volker Resing
 (DR)

Der erhobene Zeigefinger auf dem Titelbild täuscht. Familienstaatssekretär Hermann Kues (CDU) liest in seinem neuen Buch der Kirche nicht die Leviten. Er nimmt sich auch nicht dem Münchner Kardinal Reinhard Marx zu Brust, wie es das Foto auf dem Cover den Anschein erwecken könnte. "Was Kirche und Gesellschaft zusammen hält", heißt der Titel. Kues, der seit 1994 im Bundestag sitzt und im kommenden Jahr auf eigenen Wunsch aus dem Parlament ausscheiden wird, legt eine Art politische Bilanz vor.



Sein öffentliches Engagement hat er nie getrennt gesehen von seinem kirchlichen Einsatz und seinem christlichen Bekenntnis. Doch dass es dabei nicht nur um Harmonie und Freundlichkeiten geht, dass dabei zwischen Politik und Kirchen, zwischen Bischöfen und Laien auch hart gerungen werden muss, das stellt er in seinem Buch dar. Kues war über zehn Jahre Sprecher für politische Grundfragen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), für die CDU-Bundestagsfraktion war Kues kirchenpolitischer Sprecher. An den wichtigen Konfliktthemen der zurückliegenden 20 Jahre zwischen Kirche und Politik war der gebürtige Emsländer beteiligt.



Das "Dilemma des christlichen Politikers"

In dem nun vorliegenden Band zeichnet er die Kontroversen unter anderem um Stammzellforschung und Präimplantationsdiagnostik nach. So kämpfte Kues zusammen mit Wolfgang Thierse (SPD) über die Parteigrenzen hinweg für eine strenge Regelung beim ersten Gesetzgebungsverfahren zur Stammzellforschung. Doch Kues verteidigt auch das politische Geschäft gegen eine gesinnungsethische Haltung, die nur die reine Lehre kennt. Es gebe eine "Würde des Kompromisses", die müsse von der Kirche anerkannt werden, so Kues.



Als Papst Benedikt XVI. noch Kardinal Joseph Ratzinger war, da traf ihn Kues zu einem Vieraugen-Gespräch. Damals stellte der Politiker dem Theologen eine Frage. Die Antwort dient Kues noch immer als Argument für seine Haltung, erzählt er in seinem Buch. Ob er, Kues, von der Kirche Verurteilung oder Zustimmung ernten würde, wenn er etwa den Vorsitz einer Ethikkommission innehabe und die Ergebnisse dieses Gremiums nicht die Positionen der Kirche widerspiegeln würden, so die Frage. Die Antwort Ratzingers: Weder noch. Er müsse seine Entscheidungen vor seinem Gewissen verantworten, sagte der Kardinal. Das "Dilemma des christlichen Politikers", so schlussfolgert Kues, sei nicht auflösbar durch Gehorsam gegenüber den Bischöfen.



Seit 2005 gehört Kues als Parlamentarischer Staatssekretär der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Vor allem bei den Kontroversen um eine neue Familienpolitik verteidigte er auch gegenüber Kritikern in Reihen der Kirche die Linie seines Hauses. Ob Elterngeld oder Krippenausbau - für Kues sind die neuen Maßnahmen Ausdruck eines "gleichberechtigten Lebensmodells" von Mann und Frau. Ein normatives Bild von Familie lehnt er ab.



"Christlich nicht gleichbedeutend mit konservativ"

Kues Buch ist auch das Plädoyer für eine Art christlichen Pragmatismus. Er wehrt sich gegen Kritik, das Konservative in der Union würde verraten. Für ihn ist vielmehr "christlich nicht gleichbedeutend mit konservativ". Seiner Partei wünscht er in diesem Sinne einen stetigen Aufbruch. Den Begriff "aggiornamento" ("Verheutigung") des Zweiten Vatikanischen Konzils möchte er auch als Leitmotiv auf die CDU angewendet wissen.



Bei einigen innerkirchlichen Themen zeigt Kues dann doch manchmal mit mahnendem Zeigefinder in Richtung kirchliche Hierarchie. Kues hat sich zusammen mit anderen prominenten CDU-Politikern für die Priesterweihe von bewährten verheirateten Männern ("viri probati") eingesetzt, er warnt vor einem Rückzug der Kirche aus der Welt. Auch Fragen der Sexualmoral gehören für Kues neu beraten. Zugleich mahnt er einen Aufbruch im Glauben an.



Für den politischen Christen Kues ist Polemik und Provokation nicht das Mittel der Auseinandersetzung. So ist auch das Buch keine Streitschrift. Er wolle Lust auf Politik machen und Freude vermitteln an der Weitergabe des Glaubens, sagt er. Dazu liefert das Werk eine mögliche Anleitung.



Hinweis:

Hermann Kues, "Was Kirche und Gesellschaft zusammenhält. Pragmatische Politik in christlicher Verantwortung." Mit einem Vorwort von Kardinal Reinhard Marx. Echter Verlag Würzburg 2012.