Appelle zu mehr Engagement für Europa am Tag der Einheit

Überheblichkeit fehl am Platz

Zum Tag der Deutschen Einheit haben Vertreter aus Politik und Kirchen die Bundesbürger zu mehr Zuversicht und Einsatz für Europa aufgerufen. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx und der evangelische Landesbischof in Bayern Heinrich Bedford-Strohm forderten die Bundesbürger auf, ihren Teil für eine bessere Welt beizutragen.

 (DR)

Entgegen mancher Kritik seien die Erfolge und Errungenschaften der Einheit deutlich sichtbar und zugleich eine Botschaft für Europa, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert am Mittwoch beim zentralen Festakt in der Bayerischen Staatsoper in München. Um den Kontinent zu einen, brauche es Solidarität untereinander, ebenso wie eine "besonnene und weitsichtige Politik - und Bürgerinnen und Bürger, die sich für die gemeinsame Idee Europas engagieren".



Ausdrücklich wandte sich der CDU-Politiker dagegen, die EU angesichts der Eurokrise nur auf wirtschaftliche Aspekte zu reduzieren. Die gemeinsame Währung sei zwar ein wesentliches Mittel auf dem Weg zu einer politisch wie ökonomisch integrierten Union.  "Aber sie ist nicht ihr Kern - und schon gar nicht kann sie diesen ersetzen: die gemeinsamen Werte und Überzeugungen, die gemeinsamen historischen Erfahrungen und den aus zwei Weltkriegen wirksam gewordenen Willen zu einer gemeinsamen Zukunft."



Ähnlich äußerte sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in einem schriftlichen Grußwort zum Tag der Deutschen Einheit. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zog als Gastgeber eine persönliche Bilanz der Einheit. Er werde den Fall der Mauer am 9. November 1989 nie vergessen. "Das war eine Sternstunde meines politischen Lebens." Überdies würdigte der amtierende Bundesratsvorsitzende den Einsatz der Ostdeutschen für die Freiheit und die Rolle des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU).



Zuvor hatten Lammert, Westerwelle, Seehofer sowie zahlreiche weitere Bundes- und Landespolitiker zusammen mit den Spitzen des Staates, Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, an einem ökumenischen Gottesdienst in der Jesuitenkirche Sankt Michael teilgenommen. Dabei betonte der Münchner Kardinal Reinhard Marx den festen Platz Deutschlands in Europa. Ohne die Gemeinschaft in Europa gäbe es vermutlich keine Deutsche Einheit, so der Erzbischof von München-Freising. Das verpflichte die Deutschen ihrerseits zu Solidarität. Ähnlich wie Lammert forderte auch Marx ein Zukunftsbild von Europa, das über die Fragen von Währung, Wirtschaft und Finanzen hinausgehe.



Ökumenischer Gottesdienst

Der evangelische Landesbischof in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, prangerte eine zunehmende Ungerechtigkeit im Lande an. Er rief dazu auf, nach Wegen zu suchen, wie allen Menschen eine gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden könne. Es sei "nicht normal", wenn Menschen trotz Vollzeit-Arbeit auf staatliche Unterstützung angewiesen seien oder sich schon jetzt auf Armut im Alter einrichten müssten. Den Gottesdienst feierten Marx und Bedford-Strohm gemeinsam mit dem orthodoxen Metropoliten Augoustios.



Kardinal Marx sagte in dem Gottesdienst: "Wir sind nicht alleine als Deutsche unterwegs, sondern wir sind unterwegs als Europäer." Ohne die Gemeinschaft in Europa hätte es vermutlich keine Deutsche Einheit gegeben. Die Bundesrepublik müsse daher dankbar sein: Denn die Wiedervereinigung "ist ein Zeichen des Vertrauens und Zutrauens unserer Nachbarn, Ausdruck einer Bereitschaft, in Europa neue gemeinsame Wege zu gehen".



Den ganzen Tag über flanierten bei strahlend weiß-blauem Himmel Hunderttausende durch die Münchner Innenstadt, in der derzeit auch das Oktoberfest stattfindet. Zu besonderen Vorkommnissen kam es laut Polizeiangaben bis zum frühen Nachmittag nicht. 2013 findet der zentrale Festakt zum Tag der Einheit in Stuttgart statt.