Festakt zu Ehren von Altkanzler Helmut Kohl

Herausragende Gestalt

So viel Helmut Kohl wie in diesen Tagen war schon lange nicht mehr. Der Grund: Vor 30 Jahren begann seine Ära als Bundeskanzler. Prominente aus Politik und Gesellschaft würdigten nun das politische Lebenswerk des CDU-Politikers. Er selber bedankte sich bei dem Festakt auch bei einem Mann der Kirche.

Autor/in:
Volker Resing
 (DR)

Helmut Kohl ragt heraus. Nicht mit nur seinen Leistungen, nicht nur mit seinem Lebensweg. Es war an diesem Abend im alten Zeughaus unter den Linden auch noch einmal seine altbekannte körperliche Größe, die auffiel. In der ersten Reihe saß der Altkanzler in seinem Rollstuhl: gebrechlich, gealtert, beinahe unbeweglich, und doch einen Kopf größer als alle um ihn herum. Er war so etwas wie der Darsteller seiner eigenen Rolle: Ein lebendes Denkmal. Für wohl kaum einen anderen Politiker in Deutschland wäre eine vergleichbare Art der Würdigung vorstellbar, wie sie die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) am Donnerstagabend für den selbst ernannten "Enkel Adenauers" in Berlin vornehmen ließ.



Neun ehemalige und amtierende Staatschefs wandten sich in Videobotschaften an Kohl und die Festversammlung. Darunter der ehemalige US-Präsident George W. Bush senior und der israelische Präsident Shimon Peres. Zudem wurde an dem Abend eine Kohl-Briefmarke von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) präsentiert. Der Alt-Bundeskanzler ist damit abgesehen von mehreren Bundespräsidenten der einzige lebende Deutsche, dem neben Papst Benedikt XVI. diese Ehre bislang zuteil wurde.



CDU: endlich wieder Familie

Unter den Gästen des Festakts waren Kohls zweite Ehefrau Maike Kohl-Richter ebenso wie nahezu alle CDU-Minister Merkels und zahlreiche frühere Minister aus seinen eigenen Kabinetten. Auf diese Weise fand - abseits vom politischen Tagesgeschäft - auch so etwas wie eine Selbstvergewisserung der Partei statt. Dazu trug der Bogen bei, den Merkel in ihrer Rede spannte: von der "Wende" 1982 und dem Beginn der "Ära Kohl" bis heute. Merkel ist Kohl mit anderen Mitteln, auch das war eine Botschaft des Abends.



Die Amtsinhaberin verwies in ihrer stellenweise persönlichen und mehrfach von Applaus unterbrochenen Ansprache ausführlich auf die innenpolitischen Erfolge der Kohlschen Regierungszeit vor der Deutschen Einheit. Haushaltskonsolidierung, Pflegereform und neue Familienpolitik seien Teile der "Modernisierungspolitik" Kohls gewesen, die jetzt eine Fortsetzung finde. Natürlich hob sie anschließend Kohls Eintreten für die deutsche Einheit und das Zusammenwachsen Europas hervor. Lange nicht konnte sich die CDU wieder so als Familie fühlen wie an diesem Abend - zusammen mit dem ehemaligen Patriarchen.



Würdigung der katholischen Kirche

Zum Schluss sprach Kohl selbst. Der Kanzler der Einheit. Der Ehrenbürger Europas. Seine Stimme gebrochen, der Tonfall dennoch bekannt und vertraut. So viele Jahre hatte Kohl mit seinem Idiom die Politik beherrscht. Wie lange zugleich die Ära Kohls vorbei ist, das wiederum wurde angesichts seiner Gebrechlichkeit deutlich. Ausdrücklich bedankte er sich bei seinem Freund, dem Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der krankheitsbedingt der Feier fernbleiben musste und dessen Rede vom Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten, verlesen wurde. Darin hatte Lehmann Kohls Anliegen einer "geistigen Erneuerung" aufgegriffen.



Vor allem aber pries Kohl Europa wieder und wieder als ein Friedensprojekt. Die Eindringlichkeit seiner Worte: Sie hatte an Kraft nicht verloren. "Machen wir uns auf den Weg", rief der 82-jährige seinen Zuhörern zum Abschied zu. Es schien in diesem Moment so, als habe gerade der ungewöhnliche Auftritt des körperlich schwach gewordenen Altkanzlers seine Erben auf ihre Verantwortung für die Zukunft der EU einschwören können.