Syrien: Jeder zweite Flüchtling ein Kind

Keine Schutzzonen

Je mehr sich die Lage in Syrien zuspitzt, desto mehr wächst die Sorge um die Menschen - besonders Kinder sind betroffen. Deutsche Politiker fordern die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Derweil will Machthaber Assad von Schutzgebieten in Syrien selbst nichts wissen.

 (DR)

Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat Schutzzonen für Flüchtlinge abgelehnt. "Ein Gespräch über Pufferzonen steht erstens nicht zur Debatte und ist zweitens eine unrealistische Idee feindlicher Länder und der Feinde Syriens", sagte er in einem Interview des regierungsnahen syrischen Fernsehsenders Al Dounia, das am Mittwoch zuerst in Auszügen ausgestrahlt wurde. Damit wendete sich Assad zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen über das Fernsehen an die Öffentlichkeit. Der französische Präsident François Hollande hatte Schutzzonen für Flüchtlinge ins Gespräch gebracht.



Unterdessen plädierten Union und SPD für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland in Abstimmung mit der EU. "Wir müssen hier in Europa schnell zu einer abgestimmten Lösung kommen", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochsausgabe). Würden Christen bevorzugt, würde dies ihre Lage nicht verbessern, sondern ihre Probleme verschärfen: "Sie wären dann noch mehr isoliert." In Syrien sind etwa zehn Prozent der 20 Millionen Einwohner Christen unterschiedlicher Konfessionen.



Auch der SPD-Fraktionsvize Gernot Erler warnte davor, bei der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen Christen zu bevorzugen: "Wer verfolgt ist, dem muss Schutz geboten werden - unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit." Ähnlich äußerte sich der bayerische evangelische Altbischof Johannes Friedrich. "Wir werden sicher nicht explizit dazu aufrufen, dass syrische Christen nach Deutschland kommen", sagte Friedrich, der Vorsitzender der Evangelischen Mittelostkommission ist, dem Magazin "Welt-Sichten" (Septemberausgabe). "Das wäre unsolidarisch gegenüber den Kirchen vor Ort." So hätten die Kirchen im Irak befürchtet, dass sie wegen Auswanderung und Flucht ausbluten.



Deutsche wollen keine Intervention

Inzwischen sind bereits zwei Millionen Menschen in Syrien von den anhaltenden Kämpfen bedroht - die Hälfte von ihnen Kinder. Nach Schätzungen des UN Flüchtlingshilfswerks haben über 500.000 Menschen ihre Heimatorte verlassen und suchen in anderen Gebieten des Landes Schutz vor der Gewalt. Mehr als 120.000 Menschen sind in die angrenzenden Länder Jordanien, Türkei, Irak und Libanon geflohen. Mehr als 17.000 Menschen starben. Assad sagte in dem Fernsehinterview, jeder Flüchtling und abtrünnige Beamte helfe, Syrien zu säubern. Zugleich zeigte er sich überzeugt, dass die Regierungskräfte im Kampf gegen die Aufständischen Terrain gewinnen.



Die große Mehrheit der Deutschen ist gegen eine Militärintervention in Syrien. Fast zwei Drittel (64 Prozent) wollen laut einer am Mittwoch veröffentlichten "Stern"-Umfrage des Forsa-Instituts nicht, dass der Westen mit militärischen Mitteln in den Bürgerkrieg eingreift. Nur 30 Prozent halten einen derartigen Einsatz für sinnvoll. Gegen eine Militärintervention sind vor allem die über 45-Jährigen. Die Jüngeren können sich dies eher vorstellen.



Die frühere Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals, Carla Del Ponte, hat laut Diplomaten gute Chancen, Syrien-Ermittlerin der Vereinten Nationen zu werden. Die Schweizer Juristin (65) könnte schon im September durch die Präsidentin des UN-Menschenrechtsrates ernannt werden, erklärten Diplomaten in Genf. Bisher gehören der Syrien-Kommission der brasilianische Jurist Paulo Sergio Pinheiro als Vorsitzender und die US-Diplomatin Karen Koning AbuZayd an. Der Menschenrechtsrat entscheidet in Kürze über eine Verlängerung des Mandats der Kommission. Weil die syrische Regierung die Zusammenarbeit verweigert, ist sie auf Aussagen von Flüchtlingen und Exil-Syrern angewiesen.