Down-Syndrom-Bluttest auf dem Markt

Umstrittener Fortschritt

Rettet der neue Test Leben oder führt er zu mehr Abtreibungen behinderter Kinder? Ärzte, Behindertenverbände, Politik und Theologen haben seit Wochen über die neue vorgeburtliche Untersuchungsmethode debattiert. Nun ist der Schwangeren-Bluttest zur vorgeburtlichen Bestimmung des Down-Syndroms verfügbar.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Schon mittels Blutabnahme bei Schwangeren kann künftig untersucht werden, ob das ungeborene Kind das Down-Syndrom hat. Ausgangspunkt für den neuen Trisomie-Test der Konstanzer Biotech-Firma LifeCodexx ist die in den 1990er gemachte Entdeckung, dass im Blut der Schwangeren auch Bruchstücke des Erbmaterials ihres ungeborenen Kindes zu finden sind. Die DNA-Schnipsel gelangen über die Plazenta in den mütterlichen Blutkreislauf. Dies macht sich der neue Test zunutze, indem er überprüft, ob die statistisch bei einem gesunden Kind zu erwartende Anzahl von Bruchstücken des Chromosoms 21 erhöht ist. Denn bei Down-Syndrom-Kindern liegt dieses Chromosom nicht zwei-, sondern dreimal vor.



Kritiker - vor allem von Behindertenverbänden und aus der katholischen Kirche - mahnen, dass das Nachdenken über die ethischen Auswirkungen mit der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung nicht mehr Schritt hält. "Wir werden förmlich überrollt. Nach der Bundestagsfreigabe der Präimplantationsdiagnostik sehen wir nun den neuen Down-Syndrom-Test mit besonders großer Sorge", sagt Thorsten Hinz. Für den Geschäftsführer des Bundesverbands Caritas Behindertenhilfe trifft der neue Bluttest eine Aussage über lebenswertes und lebensunwertes Leben.



Diesen Vorwurf der gezielten Selektion weist LifeCodexx entschieden zurück. An den ethischen Fragen der Pränataldiagnostik ändere sich nichts; der Test trete nur an die Stelle anderer, längst verbreiteter Methoden. Und das Unternehmen argumentiert, durch den Test sogar Leben retten zu können: Denn die Blutuntersuchung könne für das ungeborene Kind potenziell gefährliche Untersuchungen wie Fruchtwasseranalyse oder Gewebeentnahme aus der Plazenta (Chorionzotten-Biopsie) ersetzen. Nach diesen Eingriffen kommt es in seltenen Fällen zu Fehlgeburten. Was LifeCodexx allerdings nur indirekt einräumt: Fast immer wird es im Falle eines positiven Bluttest-Ergebnisses zusätzlich eine Fruchtwasseruntersuchung geben müssen.



Erst der Anfang neuer Verfahren

Dabei steht der PraenaTest erst am Anfang neuer denkbarer humangentischer Diagnoseverfahren. Die Forschung bereitet schon die nächsten Schritte vor. Vor kurzem berichteten US-Wissenschaftler, das gesamte Genom - also alle genetischen Informationen - eines ungeborenen Kindes entschlüsselt zu haben. Am Montag erklärte LifeCodexx, in naher Zukunft werde der Test "auch weitere chromosomale Veränderungen wie Trisomie 13 und 18 feststellen können".



"Diese Art der Untersuchungsmöglichkeiten werden in den kommenden Jahren rasant zunehmen. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Und inwieweit aus DNA-Informationen abgeleitete statistische Aussagen zur Wahrscheinlichkeit für diese oder jene Krankheit hilfreich sind", sagt der Leiter der Freiburger Universitäts-Frauenklinik, Heinrich Prömpeler.



Eine genaue Statistik zu Schwangerschaftsabbrüchen nach Trisomie-Diagnose gibt es in Deutschland nicht. Gängige Annahme ist, dass die Quote bei 90 Prozent liegt. Nur sehr wenige Eltern entscheiden sich für das Austragen eines Kindes, von dem sie wissen, dass es das Down-Syndrom haben wird. Zunächst soll der von den Frauen selbst zu finanzierende, rund 1.250 Euro teure Trisomie-Test nur dann angewandt werden, wenn bei Routine-Untersuchungen - etwa beim sogenannten Ersttrimesterscreening - ein Verdacht auf Down-Syndrom entsteht. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass der Test, einmal in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und in der Schweiz am Markt, mittelfristig als komplikationsloses Instrument von sehr viel mehr Frauen genutzt wird als heute die Fruchtwasseruntersuchung. "Und dann wird der Druck auf Eltern immer mehr wachsen, ein Kind mit Down-Syndrom abzutreiben", glaubt Behindertenhilfesprecher Hinz.