Transplantationsskandal hat viel Vertrauen zerstört

"Das wird Menschenleben kosten"

So schnell ist Porzellan zerschlagen: Da werben Politik, Medizin und Kirchen seit Jahren für mehr Organspenden. Da tritt am vergangenen Mittwoch ein neues Transplantationsgesetz in Kraft, das die Spendenbereitschaft der Deutschen erhöhen soll. Und dann zerstört der Kreise ziehende Organspende-Skandal in Göttingen und Regensburg das mühsam aufgebaute Vertrauen in die Transplantationsmedizin.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

"Was hier gemacht wurde, wird in Zukunft viele Menschen leider das Leben kosten", sagte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, am Montag der "Neuen Ruhr Zeitung / Neuen Rhein Zeitung" (NRZ) in Essen. Es werde "garantiert Monate, wenn nicht Jahre dauern, um das Vertrauen in die Organspende wieder herzustellen".



Einzelfall oder strukturelles Problem? In Göttingen stehen ein frühere Oberarzt sowie ein weiterer leitender Arzt im Verdacht, Akten manipuliert zu haben, um Patienten gegen Geld eine schnellere Lebertransplantation zu ermöglichen. Auffälligkeiten gibt es auch in der Uniklinik Regensburg (UKR), wo der 45 Jahre alte Ex-Oberarzt vor seiner Anstellung in Göttingen gearbeitet hatte. Bereits im Frühjahr hatte es auch Vorwürfe gegen die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gegeben, die im Auftrag des Staates für die Koordinierung der Organspenden zuständig ist. Die Rede war von Vetternwirtschaft und Selbstbedienungsmentalität. Die DSO zog personelle Konsequenzen und kündigte Reformen an.



Im Klinik-Skandal schloss Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Montag Gesetzesänderungen nicht aus. "Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass Lücken im Gesetz die Manipulationen in Regensburg und Göttingen erleichtert oder begünstigt haben, müssen wir handeln", sagte er den "Ruhr Nachrichten". Bahr und Zöller mahnten schonungslose Aufklärung an. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die Verantwortlichen "sehr hart und abschreckend" zu bestrafen.



Vieles wird von dem Gespräch abhängen, das Bahr für den 27. August anberaumt hat. Vertreter der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen sowie Transplantationsexperten sollen dann über Konsequenzen beraten. Schon jetzt fordern viele von ihnen, die Kontrollmechanismen zu verbessern. Stark umstritten ist die Frage, ob der Staat eine stärkere Rolle übernehmen soll.



"Die privaten Akteure sind überfordert"

Eugen Brysch, Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, fordert schon seit langem mehr demokratische Kontrolle der Transplantationsmedizin. "Die privaten Akteure sind überfordert", sagte er mit Blick auf DSO und Bundesärztekammer. "Organspende setzt Vertrauen voraus", argumentiert auch der Kölner Gesundheitsrechtler Wolfram Höfling: "Ich glaube nicht, dass es den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht, bei einem so heiklen Thema wie der Organspende, bei dem es um die Verteilung von Lebenschancen geht, demokratisch legitimierte Institutionen fast völlig außen vor zu lassen."



Dem widerspricht der Chef der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery: Der Skandal zeige gerade, dass die staatliche Kontrolle versagt habe, argumentiert er. Weder das bayerische Wissenschaftsministerium noch die Strafverfolgungsbehörden hätten ein Interesse daran gezeigt, die bereits vor sieben Jahren aufgefallenen Unregelmäßigkeiten an der Uni-Klinik Regensburg aufzuklären.



Montgomery verlangte harte Sanktionen für Ärzte, mehr Geld für Kontrolleure und mehr Personal. Es solle nach dem amerikanischen Vorbild spezielle Prüfer geben, die flächendeckend kontrollieren, aber auch ganze Verläufe von Transplantationen begutachten könnten. Bisher geschehe das nur in Einzelfällen.



Die Reaktion der betroffenen Kliniken zeigt, dass auch schnelle Maßnahmen möglich sind: So hat das Uni-Klinikum in Göttingen beschlossen, dass die Höhe der Ärzte-Gehälter nicht mehr an die Zahl der Transplantationen gekoppelt werden soll. Der Essener Transplantationsmediziner Eckhard Nagel wirbt für ein strenges Vier-Augen-Prinzip: "Es würde die Sicherheit vor Ort und die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung von Betrügereien erhöhen, wenn zwei Ärzte die Befunde unterschreiben müssten."