Dem CSU-Politiker Thomas Goppel wird Erzbischof Müller in Bayern fehlen

"Keine Purzelbäume in Rom"

Als Wissenschaftsminister hat Thomas Goppel Bischof Gerhard Ludwig Müller persönlich kennen und schätzen gelernt, seitdem stehen die beiden in regelmäßigem Kontakt. Im domradio.de-Interview würdigt der Sprecher der ChristSozialen Katholiken in der CSU den neu ernannten Leiter der Glaubenskongregation in Rom.

 (DR)

domradio.de: Bayern verliert - oder Rom gewinnt einen starken Oberhirten: Was war Ihr erster Gedanke?

Goppel: Ich möchte ausdrücklich den ersten Teil unterstreichen - weil ich im Gegensatz zu ganz Vielen, die auch in Bayern Kritik an Bischof Müller geübt haben, sehr wohl seine Fähigkeiten und Fertigkeiten gesehen haben, die wohl nicht ersetzbar sind. Jenseits davon, dass man sich an Manches an ihm gewöhnen muss. Was Rom gewinnt, muss der Papst wissen, das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass er exzellent predigen kann; und dass man manchmal mit weniger Zweifeln aus der Kirche geht, wenn er gepredigt hat.



domradio.de: Was genau an ihm ist gewöhnungsbedürftig?

Goppel: Er ist einer, der nach innen gekehrt unterwegs ist und die Dinge, die er mit sich selber ausmacht, nicht noch mit der Umgebung bespricht. Deshalb könnte man sagen: Der ist zu wenig weltoffen und zu wenig mit den Leuten unterwegs. Aber das stimmt nicht. Man muss ihn mit dem richtigen Thema packen - und darf nicht warten, bis er selber kommt. Ab und zu muss man ihm nachlaufen.



domradio.de: Sie kennen Bischof Müller auch persönlich - was für ein Mensch ist er?

Goppel: Wenn man länger mit ihm spricht, ein ausgesprochen liebenswürdiger; einer, der gut zuhören kann; einer der verarbeitet, bevor er antwortet; und einer, der sehr nachdenkliche Ansätze in der zukünftigen Entwicklung aufzeigt. Ansätze, bei denen man ins Grübeln gerät, weil man merkt, dass man aus der Vergangenheit Gewachsenes allzu leicht vergisst und nicht weiter wahrnimmt.



domradio.de: In den Medien wird er gerne als Konservativer beschrieben - aber am rechten Rand der katholischen Kirche ist er nicht zuletzt wegen seines Streits mit der Piusbruderschaft nicht gut gelitten. Ist das ein Widerspruch?

Goppel: Nein, weil konservativ ist eine Eigenschaft, die an sich am tiefsten gut ist. Sie sagt ja nichts anderes, als dass jemand von den Dingen nicht lässt, die er für unverzichtbar hält. Und gleichzeitig aber offen ist für alle neuen Entwicklungen, wenn sie sich nicht als unmöglich erweisen. Eine bessere Mischung von menschlicher Existenz kann es ja nicht geben. Wenn Sie sich überlegen: den Opa lieben und mit dem Enkel die Zukunft gewinnen, gab und gibt es in der menschlichen Geschichte Tag für Tag. Das ist konservativ. Und das macht Bischof Müller ganz sicherlich. Dass die Piusbruderschaft ihn nicht mag, liegt daran, dass er nicht jede existierende Starre akzeptiert, sondern wie ein guter Konservativer auch etwas weglegt, was inzwischen nicht mehr zeitgemäß ist. Oder auch noch nie zeitgemäß war.



domradio.de: Zeichnet ihn das auch als Bischof und Theologen aus - diese konservative Seite?

Goppel: Man kann sich darauf verlassen, dass er die Linien nicht verlässt. Das kann man ihm auf seinem Weg nach Rom als Ruhmesblatt mitgeben: Auf den können sich seine Mitbrüder verlassen, wenn sie mit ihm in Glaubensfragen diskutieren. Er wird sie nicht überraschen mit ständigen Purzelbäumen, was Glaube auch sein könnte.



domradio.de: Was noch erwarten Sie nun von ihm in Rom?

Goppel: Es wird leise um ihn herum werden. Er gehört zu denen, die sagen: Nicht ihn interpretiert, ist wichtig für den Glauben, sondern wer ihn zu gewinnen sucht. Und daher ihn bei sich für weitgehend gewonnen empfindet, will er wahrscheinlich Impulse setzen, wie wir selber unterwegs bleiben und nicht starr werden.



domradio.de: Die bayrischen Katholiken fahren auch gerne mal nach Rom, zuletzt mit einer großen Delegation bei der Kardinalsweihe von Reinhard Marx. Auch wenn Gerhard Ludwig Müller nicht gebürtiger Bayer ist - können Sie sich vorstellen, ihn in Rom zu besuchen, wenn es soweit ist?

Goppel: Wir haben ja jetzt so viele Gründe, in Rom Grüß Gott zu sagen - das werden wir auf jeden Fall tun. Ich kann mir sehr gut vorstellen, ihn zu besuchen. Als ich in Bayern Wissenschaftsminister war, war er der einzige unter den Bischöfen, der angerufen und gesagt hat: Lieber Herr Goppel, wir müssen uns über die Akzentsetzungen an unseren theologischen Fakultäten unterhalten; da braucht es manche Neuorientierung; kommen Sie doch mal vorbei. Das habe ich dann gerne gemacht. Eine Einladung eines Bischofs in dieser Form ist keine Selbstverständlichkeit.



Das Gespräch führte Anna Kohn.