Amnesty fordert deutliche Worte zu Menschenrechten in Aserbaidschan

Menschenrechtsreport 2012

Amnesty International appelliert an Politik, Sport und Entertainment, Großereignisse wie den Eurovision Song Contest oder die Fußball-EM zur Einforderung von Menschenrechten in den Austragungsorten zu nutzen.

 (DR)

"Die Chancen stehen gut, dabei etwas zu erreichen", sagte der Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion, Wolfgang Grenz, bei der Vorstellung des Amnesty-Menschenrechtsreports 2012 am Mittwoch in Berlin.



In seinem Report beleuchtet Amnesty die Menschenrechtslage des vergangenen Jahres in 155 Ländern. In 101 Staaten dokumentierte die Organisation Folter und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und in 91 Staaten Einschränkungen der Meinungsfreiheit.



Die Ausrichter von Großveranstaltungen wie dem ESC in Aserbaidschan oder der EM in der Ukraine dürften nicht zur Verletzung grundlegender Menschenrechte schweigen, sagte Grenz. Leider gebe es sowohl von der European Broadcasting Union (EBU) als auch von der UEFA bisher "keine klare Äußerung" dazu, kritisierte die Amnesty-Referentin für Europa und Zentralasien, Marie von Möllendorff.



Politische Gefangene in Aserbaidschan

In Aserbaidschan säßen noch immer 17 politische Gefangene in Haft. Amnesty International beklagt auch eine Unterdrückung von Protesten und eine Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit in dem Kaukasus-Staat.



Grenz mahnte, das Großereignis müsse genutzt werden, um auf diese Missstände aufmerksam zu machen - auch über den Eurovision Song Contest hinaus. Es gebe die Chance, Verbesserungen zu erreichen. Die Führung in Baku sei um ihren Ruf besorgt und mühe sich sehr um eine Imagepflege. Mögliche Veränderungen kämen aber sicher nicht über Nacht.



Auch über die Lage im Gastgeberland der Fußball-Europameisterschaft, der Ukraine, ist Amnesty besorgt. Folter und andere Misshandlungen würden dort nach wie vor nicht geahndet. Bei der Unabhängigkeit der Justiz gebe es keine Fortschritte. Das Strafrechtssystem werde zu politischen Zwecken missbraucht. Grenz mahnte, auch Sportveranstalter dürften nicht zu solchen Missständen schweigen. Von deutschen Politikern, die auf einen Besuch bei der EM in der Ukraine verzichten, forderte er, sie müssten klar sagen, wie sie sich an anderer Stelle für Besserungen in der Ukraine engagierten. Nicht hinzufahren alleine reiche nicht aus.



Besorgt zeigt sich Amnesty auch über einige Entwicklungen beim EM-Mitausrichter Polen. In dem EU-Staat würden Roma häufig diskriminiert, zudem mehrten sich rassistische und fremdenfeindliche Übergriffe auf Farbige, und die Gewalt gegen Schwule und Lesben nehme zu. Aus Sicht der Menschenrechte stellten auch die schleppenden Ermittlungen zu den CIA-Geheimgefängnissen in Polen ein großes Problem dar. Hier seien kaum Fortschritte zu verzeichnen, bemängelte Möllendorff. Zudem halte sich die polnische Regierung mit Kritik an der Menschenrechtssituation in der Ukraine sehr zurück.



Repressionen aus Angst vor Überschwappen des "Arabischen Frühlings"

Das Jahr 2011 bezeichnete Amnesty-Generalsekretär Grenz als ein außergewöhnliches Jahr, "weil weltweit unzählige Menschen auf die Straße gingen, um ihre Rechte einzufordern". Auch wenn von den Hoffnungen des "Arabischen Frühling" außer in Tunesien wenig übriggeblieben sei, hätten die Umstürze in Tunesien, Ägypten und Libyen gezeigt, dass Regierungen, die Menschenrechte mit Füßen treten, früher oder später mit ihrer Entmachtung rechnen müssen.



Eine negative Entwicklung attestiert Amnesty seit dem Aufbegehren in der arabischen Welt nicht nur Ägypten und Bahrain, wo sich das Klima nach einem kurzen Aufbruch wieder verschlechtert hat, sondern auch China. Aus Angst vor einem Überschwappen des "Arabischen Frühlings" habe die chinesischen Regierung im Februar 2011 eine der schlimmsten Repressionswellen seit dem Massaker an Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 gestartet. Überraschend positiv sei dagegen der Trend in Chinas Nachbarland Birma (Myanmar). Dort seien Hunderte gewaltlose politische Gefangene freigelassen worden.



Besorgniserregend ist laut Amnesty auch die Lage der Roma in vielen EU-Staaten. Immer wieder sei die Minderheit in Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Tschechien gravierenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, sagte Möllendorff. Dazu gehörten unangekündigte Zwangsräumungen von Siedlungen, gewalttätige Übergriffe, Diskriminierungen im Alltag oder der mangelnde Zugang zu Schule und Bildung. Verbrechen an Roma würden oft nicht aufgeklärt.



Waffenlieferungen in Krisenregionen

Auch mit Deutschland ist Amnesty nicht gänzlich zufrieden. Es gebe weiterhin keine unabhängigen Beschwerdestellen für "Fälle polizeilichen Fehlverhaltens". Einige Bundesländer hätten nach wie vor Roma in den Kosovo abgeschoben, obwohl ihnen dort bei ihrer Rückkehr Verfolgung und Diskriminierung drohten. Auch habe Deutschland in den vergangenen Jahren Waffen nach Ägypten, Libyen, Bahrain oder in den Jemen geliefert, beklagte Grenz. Dabei sei schon damals abzusehen gewesen, dass diese auch zur Unterdrückung friedlicher Proteste eingesetzt würden.



Grenz beklagte die Doppelmoral vieler Staaten, die sich gerade beim Waffenhandel zeige. "Auch Regierungen, die sich den Schutz der Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben haben, verlieren diese schnell aus den Augen, wenn geostrategische oder wirtschaftliche Interessen im Spiel sind."