Die Sozialverbände zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen

Die Wunschliste ist lang

Die Wunschliste ist nicht gerade kurz. Und die Umsetzung der eingeforderten Maßnahmen würde eine Stange Geld kosten. Das hält die Sozialverbände in Nordrhein-Westfalen aber keineswegs davon ab, den Parteien ihre Vorstellungen über die künftige Gestaltung der Politik ins Stammbuch zu schreiben - alles im Sinne ihrer Klientel: Arbeitslose, verarmte Familien, Behinderte und benachteiligte Jugendliche auf der Suche nach einem Berufseinstieg.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Auf rund 30 Seiten hat die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG), in der sich Caritas, Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Paritätische Wohlfahrtsverband sowie die jüdischen Landesverbände zusammengeschlossen haben, die gemeinsamen sozialpolitischen Positionen formuliert. So verlangen sie unter anderem einen Ausbau von Krippenplätzen, die öffentliche Förderung von Beschäftigung, kostenfreie Mittagessen für Hartz-IV-Kinder in der Ganztagsbetreuung und die Ausweitung der Familienberatung.



Dabei wissen die Verbände um das entscheidende Gegenargument für ihre Vorschläge: die knappen Kassen. Um so trotziger heißt es in dem Papier: "Künftige Haushaltsdebatten sind daher immer auch Grundsatzdebatten." Zudem mahnen die Organisationen die Politik, nicht allein auf die Ausgabenseite zu gucken, sondern auch auf die "immer brüchiger gewordene Einnahmeseite zur Finanzierung staatlicher Aufgaben und zur Sicherung der Daseinsvorsorge". Der Grundsatz, wonach Leistungsfähigere auch stärker zu besteuern seien, werde nicht mehr ausreichend umgesetzt. "NRW bleib sozial - nachgehakt", heißt denn auch der appellative Titel der Wahl-Empfehlung.



Eine Hauptursache für eine "zunehmende Zerklüftung der sozialen Landschaft in NRW" sehen die Wohlfahrtsverbände in einer finanziellen Schwächung eines Großteils der Kommunen. Durch landes- und bundespolitische Entscheidungen seien ihnen zusätzliche Lasten aufgebürdet worden - allein 2010 in Höhe von rund 400 Millionen Euro. Die Folge: Städte und Gemeinden stellten freiwillige Leistungen für Erziehungshilfen, offene Ganztagsschulen, Erziehungsberatung, Behindertenfahrdienste, Aids-Beratung, Sprachförderungen oder Programme für Schulverweigerer auf den Prüfstand.



Keine Wahlempfehlung

In ihrem Papier geben die Verbände natürlich keine Wahlempfehlung ab. Zwischen den Zeilen und an einigen Stellen ausdrücklich lassen sie aber erkennen, dass ihnen die Entscheidungen von Rot-Grün eher schmecken als Beschlüsse der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Beispiel Kinder- und Jugendförderplan. Kritisch wird vermerkt, dass nach der Landtagswahl 2005 die Mittel dafür von 96 auf 75 Millionen reduziert wurden. Gelobt wird, dass nach der Wahl von 2010 die Mittel auf 100 Millionen Euro angehoben wurden und damit zumindest "das ursprüngliche Niveau" wieder hergestellt wurde. Positive Worte finden sich auch über das unter Rot-Grün aufgelegte Modell "Kein Kind zurücklassen - Kommunen in NRW beugen vor" oder das neue Teilhabe- und Integrationsgesetz, das die Einbeziehung von Migranten zum Ziel hat.



Allerdings finden SPD und Grüne nicht die ungeteilte Zustimmung der Sozialverbände. Unmut ruft hervor, dass die Elternbeiträge zu Kindergärten von Kommune zu Kommune schwanken und es nicht landesweit einheitliche, sozial gestaffelte Sätze gibt. Und: Auf Ablehnung stößt die im vorigen Jahr eingeführte Beitragsfreiheit für das dritte Kindergartenjahr. Zwar seien für Eltern kostenfreie Bildungseinrichtungen grundsätzlich zu begrüßen. Aber zunächst müsse doch die Qualität der Tageseinrichtungen verbessert werden. Zumindest in diesem Punkt gibt es eine große Nähe zur CDU, auch wenn diese erklärtermaßen die Beitragsfreiheit nicht zurücknehmen will.