Wirkliche Debatten finden im NRW-Wahlkampf kaum statt

Das Ende der Politik

Es ist ein Kampf mit seltsam stumpfen Waffen: Wer im nordrhein-westfälischen Turbowahlkampf eine inhaltliche Zuspitzung erwartet hatte, wurde enttäuscht. Kaum Inhalte, noch weniger Konzepte und dafür umso mehr Diskussionen über das politische Spitzenpersonal - so stellt sich der Wahlkampf an Rhein und Ruhr in diesen Tagen dar.

Autor/in:
Nicole Scharfschwerdt
 (DR)

Dabei ist die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an diesem Sonntag die wichtigste deutsche Wahl des Jahres. Fraglich ist, ob die Wähler dies auch so sehen.



Der Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen CDU, Norbert Röttgen, kommt vor allem bei einem Thema richtig in Fahrt: der Currywurst. Auf eine besondere Art des Mitmacheffekts setzte in diesem Wahlkampf die SPD und kürte ein Wahlkampfplakat im Internet. Heraus kam eine Currywurst mit Pommes und der Slogan "Currywurst ist SPD". Für Röttgen ein "trauriger Tiefpunkt" dieses auch in seinen Augen inhaltsleeren Wahlkampfes.



Zwar kann man geteilter Meinung darüber sein, ob die Currywurst nun tatsächlich der Tiefpunkt des Wahlkampfes ist oder ob es der SPD einfach geschickt gelungen ist, sich ins Gespräch zu bringen. Bemerkenswert ist allerdings, dass ein inhaltsfreies Plakat, das darüber hinaus kaum plakatiert wird, für so viel Gesprächsstoff sorgt.



Emotionen gegen Zahlen

Es ist eine Auseinandersetzung, die ungleicher kaum sein könnte. Die SPD setzt vor allem auf die Popularität ihrer Spitzenkandidatin Hannelore Kraft sowie auf Emotionen. "NRW im Herzen" und "Kein Kind zurücklassen", will die Partei, und wirbt in erster Linie mit Themen wie Bildung und Gerechtigkeit. Die CDU dagegen versucht, mit Zahlen zu punkten. Spitzenkandidat Röttgen, der als kluger Mann gilt, brandmarkt gern die Verschuldungspolitik der Landesregierung und bedient sich hierbei ganzer Zahlenkolonnen. Vereinfacht könnte man sagen, rechte Gehirnhälfte gegen linke Gehirnhälfte.



Es scheint, als würden die Kontrahenten dieses Wahlkampfes unterschiedliche Sprachen sprechen. Erschwerend kommt hinzu, dass große Themen in den letzten zwei Jahren unter der rot-grünen Regierung abgeräumt wurden. Der Schulkonsens steht, die Studiengebühren wurden abgeschafft, Kinderbetreuung für die Eltern günstiger. Die CDU hat sich damit abgefunden. Zwar hält die Partei die Abschaffung der Studiengebühren für falsch, eingeführt werden sollen sie trotzdem nicht mehr. Ähnliches gilt für das beitragsfreie letzte Kita-Jahr. Ein Versuch der CDU, Ministerpräsidentin Kraft wegen ihrer vermeintlichen Forderung nach einer Kita-Pflicht das Etikett der Bevormundung anzuheften, scheiterte.



Inhaltliche Vorstöße verpuffen. So etwa ein Vorschlag der Grünen, 2.000 Stellen bei der Polizei zu streichen. Dabei böte gerade die Innenpolitik in diesen Tagen reichlich Gelegenheit für Konzepte und Diskussionen. In Bonn liefern sich Anhänger der Salafisten und der rechtspopulistischen Partei Pro NRW gewaltsame Auseinandersetzungen und Innenminister Ralf Jäger lässt alle paar Tage einen Rockerclub verbieten oder geht gegen Rechtsextreme vor. Doch eine wirkliche Debatte findet nicht statt.



Bundespolitik im Fokus

Ist in Nordrhein-Westfalen das Ende der Geschichte erreicht? Gibt es nichts mehr, über das sich eine politische Auseinandersetzung lohnen würde? Fast scheint es so. Die Landesregierung arbeitet sich an der Bundespolitik ab, wettert gegen das Betreuungsgeld und die Praxisgebühr und die CDU erklärt die Wahl in NRW zur Abstimmung über den künftigen Kurs der Regierung Merkel in Europa.



Mehr noch als mit trockener Finanzpolitik macht die Opposition aber mit ihrem politischen Spitzenpersonal von sich reden. Kaum war der Wahlkampf eröffnet, sah sich Röttgen, der auch Bundesumweltminister ist, mit der Frage konfrontiert, ob er es ernst meine mit NRW. Der Minister lasse offen, ob er auch als Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag Platz nehmen würde und habe sich ein Rückfahrticket nach Berlin gesichert, krittelten nicht nur Gegner, sondern auch viele Wähler. FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner hingegen wurde zum Heilsbringer der Liberalen hoch stilisiert.



In Nordrhein-Westfalen ist mitnichten das Ende der Geschichte erreicht. Ein Ende der Politik scheint hingegen greifbar. Mit knapp 60 Prozent war die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl vor zwei Jahren denkbar niedrig. Es wäre nicht verwunderlich, wenn auch dieses Mal viele Wähler zu Hause bleiben würden.