Comece-Referent sieht Sarkozy in der Gunst vieler Katholiken

Duell in Frankreich

Der Sozialist François Hollande ist Favorit beim Duell um die französische Präsidentschaft. Warum aber viele Katholiken zu Amtsinhaber Sarkozy halten, das erklärt Frankreichexperte Stefan Lunte im domradio.de-Interview. Er arbeitet für die Kommission der Europäischen Bischofskonferenzen Comece. Viele Katholiken fühlten sich von Politikern der Linken nicht ernstgenommen.

 (DR)

domradio.de: Der Sozialist Hollande will die Trennung von Religion und Staat in die Verfassung aufnehmen. Was bedeutet das denn für die Kirche in Frankreich - sollte Hollande am Sonntag tatsächlich gewinnen?

Stefan Lunte: Dieser Vorschlag im Programm des Kandidaten Hollande würde nach meiner Lesart keinen großen Unterschied zu der bisherigen Praxis ausmachen. Er schreibt in seinem Vorschlag, dass er die Laizität in der Verfassung verankern will, aber der Text, der dann vorgeschlagen wird, ist im Grunde ein Resümee oder das sind die ersten Worte der ersten Artikel des großen wichtigen Trennungsgesetzes von 1905 zwischen Kirche und Staat. Das heißt, dass der Staat die Trennung von Kirche und Staat respektiert, dass er dafür sorgt, dass alle ihre Gewissensfreiheit haben, dass die Kultusgemeinschaften, die Kirchen und Religionsgemeinschaften ihrer Religion nachgehen können. Das scheint mir kein riesengroßer Aspekt zu sein in der Bewertung von Katholiken des Kandidaten Hollande.



domradio.de: Umfragen zu Folge ist für aktive Katholiken in Frankreich der konservative Amtsinhaber Sarkozy aber weiter der Favorit. Worauf führen Sie das zurück?

Stefan Lunte: Da hatte gerade vor wenigen Tagen der Bischof von Évry, Msgr. Dubost, ein ganz interessantes Interview gegeben, wo er auf dieselbe Frage antwortet. Es hat ein wenig damit zu tun, dass die Katholiken sich häufig - ob zu Recht oder zu Unrecht - gerade von Politikern der Linken verspottet oder nicht ernst genommen fühlen, dass man sich über sie lächerlich macht. In seiner Diözese kommen zum Beispiel nie die verantwortlichen Politiker zu Einladungen der Kirche, wohingegen sie bei Veranstaltungen der Muslime immer da sind. Also, es gibt so eine Stimmung, die halten uns für rückständig. Das beeinflusst schon die Wahl.



domradio.de: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Hollande das Rennen macht. Woran liegt das?

Stefan Lunte: Das lässt sich schwer objektiv beurteilen. Ich würde mal mit etwas Distanz sagen, die Menschen kennen Hollande nicht richtig. Sie wissen auch gar nicht, was er jetzt genau im Einzelnen vorhat. Sie glauben auch, dass er so viel gar nicht anders machen kann als sein Vorgänger, aber sie haben einfach genug von Nicolas Sarkozy. Er ist ihnen zu unstetig, er ist ihnen nicht glaubwürdig genug. Es fehlt ihm an Ernsthaftigkeit, also das beeinflusst die Wähler am Ende glaube ich am meisten. Nicht so sehr für den Kandidaten Hollande, sondern eher gegen den Kandidaten Sarkozy.



domradio.de: Heute werden Hollande und Sarkozy in einem Fernsehduell aufeinandertreffen. Wie bedeutend ist denn der Auftritt?

Lunte: 20 Millionen Menschen werden sich das anschauen. Das ist ein Drittel der Bevölkerung, die diese Debatte wahrnehmen. Das ist für deutsche Verhältnisse schwer nachvollziehbar, so etwas erlebt man in keinem Bundestagswahlkampf. Da ist alles bis auf die letzte Sekunde getaktet, die Temperatur wurde ausgehandelt, die in dem Studio herrschen soll. Die Sitzhöhe der Stühle und jedes Detail wird im Grunde von den beiden Camps ausgehandelt. Es ist das große Ereignis und paradoxerweise glaubt eigentlich keines der Meinungsforschungsinstitute, dass sich durch die Debatte noch etwas ändert.



Das Interview führte Christian Schlegel (domradio.de)